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Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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ist, dass man lieber arm und hässlich ist, als seine Kinder wieder herzugeben.«
    »Es ist der Fortpflanzungstrieb«, sagte Nelly. »Er dient dem Erhalt der Spezies Mensch und lässt einen Dinge tun, die einem hinterher Leid tun. Hirnlos, wenn man so darüber nachdenkt.«
    Ich schätzte, Enkelkinder konnte ich schon mal abschreiben.
    »Mir tut's nur Leid, dass ich mir ausgerechnet Hansjürgen fürdiesen hirnlosen Fortpflanzungstrieb ausgesucht habe«, sagte Anne.
    »Aber ihr habt hübsche Kinder«, sagte ich.
    »Das stimmt«, sagte Anne geschmeichelt. »Und kluge obendrein. Obwohl sie das vermutlich eher von mir haben.« Sie trabte ein paar Schritte lächelnd vor sich hin, aber dann verdüsterte sich ihr Gesicht wieder. »Verdammt, der Mann macht mich rasend. Seine derzeitige Sekretärin ist überhaupt gar nicht Sekretärin, sondern Praktikantin. Zwanzig Jahre alt. Das muss man sich mal vorstellen. Ich frage mich allmählich, ob Hansjürgen pädophile Neigungen hat.«
    »Ich würde sagen, seine Geliebten bleiben immer gleich alt, nur Hansjürgen wird immer älter«, sagte ich und warf einen Blick auf Nelly. Nur weil sie einen Meter achtzig groß war, durfte man nicht vergessen, dass sie noch ein Kind von vierzehn Jahren war und unsere Gespräche eigentlich gar nicht mit anhören sollte. Auch wenn sie sich brennend dafür interessierte.
    »Woher weißt du das eigentlich immer so genau?«, fragte sie. »Erzählt er dir etwa, mit wem er es treibt?«
    Ich zuckte zusammen.
    »Nur wenn ich frage«, sagte Anne.
    »Das ist doch masochistisch. Ich würde mir das niemals gefallen lassen«, sagte Nelly.
    Ich auch nicht, wollte ich sagen, aber dann hielt ich den Mund. Ich hatte mir von Lorenz auch eine Menge gefallen lassen, und wenn er mich nicht wegen Paris hätte loswerden wollen, wäre ich möglicherweise heute noch mit ihm zusammen. Zur Erinnerung: Die Rede ist von der Neuen meines Ex, nicht von der Stadt mit dem Eiffelturm.
    »Behalte diese Einstellung bloß bei, Schätzchen«, sagte Anne. »Und ganz wichtig: Unterschreibe niemals einen Ehevertrag. Schon die Tatsache, dass dein zukünftiger Mann dir einen solchen vorlegt, sollte dich stutzig machen.«
    »Ich werde sowieso lesbisch«, sagte Nelly.
    »Wie bitte?«, fragte ich alarmiert. »Ich denke, du bist in Moritz verknallt.«
    »Nicht mehr«, sagte Nelly. »Er popelt in der Nase.«
    »Ja, wenn das kein Grund ist, lesbisch zu werden!«, sagte Anne.
    Wir bogen am Spielplatz rechts ab. Dort war nichts los, nur ein kleines Mädchen schaukelte einsam in der Abendsonne. »Und was ist mit Max?«
    »Ach, der«, sagte Nelly. »Der hängt nur noch mit Laura-Kristin ab. Dabei sind bald Ferien, und es gibt keine Arbeiten mehr, für die man lernen müsste. Vielleicht ist er ja ihr Ernährungsberater geworden. Oder er hilft ihr beim Mitesser-Ausdrücken.«
    Meine Güte, was war das Kind boshaft. Also, von mir hatte sie das nicht.
    »Ich glaube, Laura-Kristin soll bei Max' Band mitmachen«, sagte Anne.
    Nelly stieß ein schnaubendes Lachen aus. »Als was denn? Als Backgroundtänzerin? Jeder wird denken, das ist eine Elefantendressur.«
    »Nelly!«, sagte ich vorwurfsvoll.
    »Soviel ich mitbekommen habe, soll sie Keyboard spielen«, sagte Anne. »Max sagt, sie ist ziemlich gut.« Nelly schwieg überrascht.
    Auf meinem Gesicht hatte sich gerade ein kleines, schadenfrohes Lächeln breit gemacht, als ich den Hund sah. Es war ein schmutzig-weißer Pittbullterrier, jedenfalls zur Hälfte. Die andere Hälfte war möglicherweise ein Boxer oder ein Gemisch aus einem Boxer, einem Bluthund und einem Dobermann. Außerdem schlummerte irgendwo auch noch ein Rottweiler in dem Tier. Die Sorte Hund, deren Vorfahren einst entlaufene Sklaven gejagt und zerfleischt hatten. Der Hund stand am Rande eines Gebüschs und musterte uns aus tränenbesackten Augen.
    Mir sank das Herz in die Hose.
    »Seht ihr, was ich sehe?«, flüsterte ich Nelly und Anne zu.
    »Ach, der tut doch sicher nichts«, sagte Anne, verlangsamte aber ihre Schritte. Der Hund zog die Lefzen ein wenig nach oben, als ob er lächelte. In Wirklichkeit knurrte er. Obwohl er ungefähr dreißig Meter von uns weg war, hörte ich es ganz deutlich.
    Wir blieben stehen.
    »Wo ist denn das Herrchen?«, fragte Nelly und sah sich suchend um. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, nur das kleine Mädchen auf der Schaukel.
    Das war ja wohl die Höhe, so ein kleines, schwaches Ding mit einem Kampfhund losziehen zu lassen.
    »He!«, rief ich ihr

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