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Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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»Kon, kleine Kakche, kon!«, sagte sie. Aber die Katzen waren ja nicht doof.
    »Sie ist so tierlieb«, sagte Sabine. »Aber mir sind alle Lebewesen, die nicht auf zwei Beinen gehen und sprechen können, suspekt. Bis jetzt habe ich jedenfalls erfolgreich verhindert, dass irgendwelche stinkenden Fellträger bei uns einziehen.«
    Ich beugte mich zu Karsta hinab, die jetzt dabei war, die Katzenan ihren Beinen unterm Sofa hervorzuziehen. »So, so, Karsta, du warst deiner Mama also suspekt, als du noch nicht auf zwei Beinen gehen konntest?« Sprechen konnte sie ja bis heute noch nicht.
    »Unsere Kinder haben aus pädagogischen Gründen Kaninchen und Meerschweinchen«, sagte Frauke. »Allerdings draußen im Garten. Katzen würde ich auf keinen Fall halten, wegen der Toxoplasmosegefahr. Haben Sie abchecken lassen, ob die Fehlgeburt nicht vielleicht dadurch verursacht wurde, Frau Pfaff?«
    »Die Toxoplasmoseerreger befinden sich, wenn überhaupt, im Katzenkot«, sagte ich heftig. »Und von dem hat Mimi sich fern gehalten.«
    »So schwer mir das auch gefallen ist«, sagte Mimi. Sie hatte endlich aufgehört zu schluchzen. Ich warf ihr ein schwaches Grinsen zu, aber sie grinste nicht zurück.
    »Eine Freundin von uns hat ihre Katze ins Tierheim gegeben, als sie schwanger wurde«, sagte Frauke. »Aber das muss natürlich jeder selber wissen.«
    »Ellen hat sogar ihren Kanarienvogel ins Tierheim gegeben«, sagte Sabine. »Wegen der Vogelgrippe. Weißt du eigentlich, ob es ein Junge oder ein Mädchen geworden wäre, Mimi?«
    »... geworden wäre«, wiederholte Mimi nachdenklich.
    »Ein Mädchen«, sagte ich schnell. Ich wollte auf keinen Fall, dass sie wieder zu weinen anfing.
    »Und darf man auch fragen, was mit dem, äh, Fötus passiert ist?«, fragte Frauke. »Ich meine, es war doch sicher noch furchtbar klein und wahrscheinlich kein besonders schöner Anblick, aber trotzdem: Konnte man es beerdigen, oder wird es pathologischen Zwecken zugeführt, oder wie muss man sich das vorstellen?«
    Zum ersten Mal an diesem Tag war ich wirklich sprachlos. Ich konnte nichts sagen, ich starrte Frauke nur völlig fassungslos an. Ihre Grausamkeit stellte ja selbst die von Lord Voldemort in den Schatten.
    Es stand aber nichts als ehrliche Neugier in Fraukes Augen. »Das ist eine interessante Frage«, sagte Mimi, immer noch indiesem nachdenklichen Tonfall. Ihre Augen waren trocken, und ihre Stimme klang sehr ruhig. »Es gibt extra winzig kleine Särge und niedliche gefilzte Kokons, in denen man Totgeburten aller Größen begraben kann. Babys unter fünfhundert Gramm darf man auch im eigenen Garten begraben. Unter dem Kirschbaum beispielsweise.«
    Frauke und Sabine sahen sogleich zum Fenster hinaus in den Garten.
    »Wie schön«, sagte Frauke inbrünstig.
    »Oh, nein, in meinem Fall hat sich das von selbst erledigt«, sagte Mimi. »Ich habe den Inhalt meiner Gebärmutter zum größten Teil den Abfluss hinuntergespült.«
    Eine Weile herrschte nun endlich betretenes Schweigen. Ich glaubte nicht, dass Frauke und Sabine sich von dieser Bemerkung je wieder erholen würden, aber ich hatte mich zu früh gefreut.
    »Sicher habt ihr schon über Adoption nachgedacht, oder?«, fragte Sabine. »Allerdings - in eurem Alter ...«
    Glücklicherweise brach Karsta in diesem Augenblick in ohrenbetäubendes Geheule aus. Eine der Katzen hatte es satt gehabt, am Bein gezerrt zu werden, und ihr mit der Pfote kräftig eins übergezogen. Karstas Hand blutete aus drei Striemen.
    »Göche, göche Niekchekakche!«, schrie Karsta.
    »Oh mein Gott«, rief Sabine aus. Die Katze hatte ganze Arbeit geleistet: Blut tropfte auf die weißen Sofahussen. Egal, dachte ich herzlos, die müssen sowieso in die Waschmaschine wegen der ganzen Saftflecken.
    Die nächsten Minuten waren wir alle damit beschäftigt, Karstas Wunden zu desinfizieren und zu verbinden, damit sie weder Toxoplasmose noch Katzenschnupfen bekommen würde. Sabine wollte aber trotzdem sicherheitshalber noch zum Kinderarzt fahren. Sie eilte mit der immer noch brüllenden (»Hak Kachka gekrachk, gie göche Kachke!«) und wild um sich schlagenden Karsta auf dem Arm zur Tür. Frauke folgte ihr.
    »Warum denn nicht gleich so?«, sagte ich, aber nur ganz leise.
    Laut sagte ich: »Wiedersehen, und hoffentlich bekommt die kleine Garsta keine Tollwut.«
    Auf der Türschwelle drehte Frauke sich noch einmal um und lächelte Mimi an. »Alles, alles Gute. Und die Blumen müssen noch einmal angeschnitten werden. Wenn man einen

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