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Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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»So, und wo wir das jetzt geklärt haben, wäre es doch sehr schade, wenn Jo verbluten würde, meint ihr nicht?«
     
    *
     
    »Jo will, dass du den Antrag sofort zurückziehst«, sagte ich.
    »Das kann ich nicht«, sagte Anton, lenkte den Jaguar rückwärts aus der Einfahrt und ließ ihn den Hornissenweg hinunterschnurren. »Das Sorgerecht wird neu verhandelt werden. Und wenn du mich fragst, ist es nach dieser Geschichte hier sowieso nur noch reine Formsache. Auch wenn ihr so blöd wart und nicht die Polizei verständigt habt. Wirklich, sehr unprofessionell.«
    »Aber verstehst du denn nicht? Diesem Bernhard geht es gar nicht um Joanne. Er will nur Jos Kohle, und er will in dem Haus wohnen bleiben. Das geht nur, wenn Bianca das Sorgerecht für Joanne behält. Wenn Jo den Antrag nicht zurückzieht, dann verprügelt Bernhard nicht nur Jo, sondern auch Joanne!«
    »Ich sage ja, das ist ein Fall für die Polizei«, sagte Anton. »Von solchen Typen darf man sich einfach nicht einschüchtern lassen.«
    »Na, du warst ja auch nicht dabei«, sagte ich. »Glaub mir, wenn du Bernhard, Paschulke und dem Hundevieh in die Augen gesehen hättest, wüsstest du, wovor Jo Angst hat. Wenn wir die Polizei einschalten, dann können sie sich noch gewaltig steigern, da bin ich mir sicher. Nein, nein, du musst tun, was Jo sagt, und den Antrag zurückziehen.«
    Anton seufzte. »Ich dachte, ich sollte ihm helfen«, sagte er. »Wenn ich den Antrag zurückziehe, dann helfe ich ihm kein bisschen. Und dem armen kleinen Mädchen auch nicht.«
    »Ja, aber sie bleiben immerhin am Leben«, sagte ich. »Kevin sagt auch, es wäre zwecklos, bei solchen Typen wie Bernhard die Polizei einzuschalten.«
    »Und wer bitte schön ist Kevin?«
    »Er ist bei Nelly in der Klasse«, sagte ich.
    »Also ein Fachmann.« Anton stöhnte. »Hör mal, jemanden zu bedrohen und zusammenzuschlagen ist ein Verbrechen, für das man ins Gefängnis kommt. Jo muss nur Anzeige erstatten, dann ist er diesen Bernhard los.«
    »Nein«, sagte ich. »Du bist doch naiv. Wenn er ihn anzeigt, dann geht es doch erst richtig los mit den Schikanen! Bernhard ist ja auch nicht allein. Dieser Paschulke ist auch noch da. Und der Hund. Und die schrecken wirklich vor nichts zurück. Was meinst du, was die mit ihrem Getränkelieferanten gemacht haben? Kevin sagt auch, dass solche Typen nur eine einzige Sprache verstehen, und das ist ihre eigene.«
    »So ein Schwachsinn«, sagte Anton.
    »Du musst den Antrag auf jeden Fall zurückziehen, Jo will es so«, sagte ich. »Und ich kann ihn gut verstehen. Wenn Bernhard meine Kinder bedrohen würde ... Ach, ich wünschte nur, ich hätte Karate gelernt oder sonst etwas Nützliches. Aber nein, meine Eltern haben mich nur in so eine blöde Trachtengruppe gesteckt!« Ich stockte kurz. »Äh, und natürlich in den Schwimmverein«, setzte ich hinzu. Es war so anstrengend zu lügen. Wenn man einmal damit angefangen hatte, musste man immer weiter machen. Allmählich hatte ich es satt. »Aber was nutzt einem eine Medaille im Rückenkraulen gegen solche Typen wie Bernhard?«
    »Dafür gibt es ja unser Rechtssystem«, sagte Anton. »Oder was sagt dein Kevin dazu?«
    »Ach, die sperren Bernhard doch noch nicht mal ein«, sagte ich. »Der kann bis zur Verhandlung ganz unbehelligt sein Unwesen treiben. Kevin sagt auch, wenn man die Polizei mal braucht, ist sie sowieso nicht da. Nee, nee, so was müsste man selber in die Hand nehmen, aber wie gesagt, gegen Bernhard, Paschulke und den bösen Henri kommen wir nicht an.«
    Anton stöhnte wieder, und ich zupfte meinen Rock glatt. In dem ganzen Trubel heute Nachmittag war mein Schönheits-und Vorbereitungsprogramm deutlich zu kurz gekommen. Ich war nicht mal anständig manikürt, von allem anderen mal abgesehen. Und ob dieses Top und der Rock mir so gut standen, mit dem locker drapierten breiten Gürtel auf den Hüften, wusste ich auch nicht. Ich hatte keine Zeit gehabt, mich lange vor dem Spiegel zu drehen und zu wenden. Unpraktisch war das Outfit allemal: Der Rock war so eng geschnitten, dass man ihn nicht hochkrempeln konnte, wenn man aufs Klo musste, es sei denn, man wollte riskieren, dass der Stoff riss. Also musste man zuerst den verdammten Gürtel abfriemeln, dann den Rock ausziehen und anschließend alles in umgekehrter Reihenfolge wiederholen.
    »Wusstest du, dass der Goldene Schnitt in der Renaissancekunst eine ganz besondere Rolle spielt?«, wechselte ich unvermittelt das Thema. »Es klingt sehr kompliziert,

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