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Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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dass ein Butler im Frack uns öffnen würde, aber es war Antons Mutter, die die Tür aufriss. Renaissance-Kunst-Polly.
    »Oh nein!«, rief sie, als sie uns sah. »Ich hatte gehofft, es wäre Emile und er hätte es sich anders überlegt!«
    »Wer ist Emile?«, fragte Anton und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Hallo, Mama.«
    »Emile ist der Caterer, und er sollte schon vor zwei Stunden hier sein!« Polly raufte sich die akkurat geschnittenen blonden Haare. Sie sah, im Gegensatz zu sonst, reichlich aufgelöst aus. Ihr Hals und ihre Wangen waren mit hektischen roten Flecken übersät. Und das eine Auge hatte lila Lidschatten, das andere nicht. »Ich verstehe das nicht. Ich bin doch noch nicht verkalkt, oder, Anton? Sein Handy war die ganze Zeit ausgeschaltet, und im Restaurant ging nur der Anrufbeantworter dran. Und als ich ihn vor zwanzig Minuten endlich erreicht hatte, sagte er doch tatsächlich, ich stünde erst für nächsten Samstag in seinem Kalender. Ein Irrtum also. Und Emile sagt, es wäre mein Irrtum! Als ob ich das Datum verwechselt hätte.«
    »Ach, das lässt sich doch sicher ganz einfach regeln«, sagte Anton. »Mama, Constanze kennst du ja noch.«
    »Guten Abend«, sagte ich. Ob sie wusste, dass sie nur einen Schuh anhatte?
    »Guten Abend?«, rief Polly. »Was soll an diesem Abend gut sein? In einer Dreiviertelstunde kommt Urs Körner mit seiner Familie zum wichtigsten Abendessen, das dieses Haus je gesehen hat, und ich habe nichts zu essen da. An einem Samstagabend. Und Emile sagt, er kann da leider überhaupt nichts machen. Er ist absolut ausgebucht!«
    »Vielleicht könnten Sie woanders etwas bestellen.« Ich überreichte Polly den Blumenstrauß, den zu besorgen ich trotz aller Hektik nicht vergessen hatte. Es lebe die Liste!
    »Sehr hübsch, vielen Dank«, schnauzte Polly und knallte den Strauß auf eine riesige Kommode neben sich. Wir waren mittlerweile in den Flur vorgerückt, ein Flur, in etwa so groß wie das Müngersdorfer Stadion. »Was meinen Sie? Soll ich vielleicht den Pizzadienst anrufen? Ha. Das sähe Ihnen ähnlich! Sie ernähren Ihre Kinder sicher ausschließlich von Pizza und McDonald's! Ja, warum denn nicht: Ich ruiniere Rudolfs wichtigstes Geschäft seit der Sache mit Viagra, indem ich seinem Geschäftsfreund Pizza und Hamburger vorsetze!«
    »Es gibt keinen Grund, Constanze zu beleidigen«, sagte Anton. »Es wird sich doch wohl ein anderer Caterer finden lassen, der kurzfristig etwas liefert. Abgesehen davon hätte ich nichts gegen Pizza einzuwenden.«
    »Ja, was meinst du denn, was ich die ganze Zeit gemacht habe?«, rief Antons Mutter. Sie tat mir mittlerweile schon richtig Leid. »Ich habe überall herumtelefoniert. Aber sie sind alle ausgebucht.«
    »Hast du ihnen einen Aufpreis versprochen? Hast du deine Wissen-Sie-denn-nicht-wen-Sie-vor-sich-haben-Nummer abgezogen?«
    »Glaub mir, ich habe alle Register gezogen. Ich brauche jetzt erst mal einen Schnaps, ich kann gar nicht mehr klar denken.« Polly drehte sich um und eilte davon, so schnell ihr das mit nur einem Schuh möglich war. »Kein einziges Sterne-Restaurant, das mir jetzt noch helfen kann. Und dein Vater liegt seit zwei Stunden oben im Schlafzimmer und hat schlimme Kopfschmerzen. Wenn er erfährt, was ich angerichtet habe, dann können wir ihn gleich ins Krankenhaus einliefern. Und mich dazu, denn ich bin an allem schuld.«
    Wir hatten Mühe, mit Polly Schritt zu halten. Sie war in die Küche gerannt, wo sie sich einen mindestens dreifachen Whiskey eingoss und in einem Zug hinunterkippte. Ich sah mich staunend um. Das nannte man wohl »gediegenen Landhausstil«. Weiß lackiertes Holz mit offenen Regalen, handgemalte Fliesen,geölte Holzarbeitsflächen - diese Küche war noch viel schöner als Antons High-Tech-Küche. Allein dieser Aga-Herd da war einfach wunderbar. Von so einem Herd träumte ich schon seit ewigen Zeiten, aber er war leider unbezahlbar.
    »So, jetzt kann ich nur noch anrufen und sagen, dass einen von uns kurzfristig die Vogelgrippe ereilt hat«, sagte Polly. »Oder die Pest. Etwas weniger Schreckliches lässt ein Urs Körner nicht gelten.«
    »Wie viele Leute sollen denn kommen?«, fragte ich.
    »Wir sind zu zehnt«, sagte Polly. »Wir sind vier, mit Ihnen fünf und Körners kommen mit Tochter, Sohn und Schwiegertochter. Ich hatte schon erwogen, mit allen aus essen zu gehen, aber Urs ist schrecklich konservativ, für ihn ist ein Restaurant immer nur eine Notlösung. Und eine Hausfrau, die kein

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