Die Patin
Pfifferling-Soße, dem zart-würzigen Dressing mit Himbeeressig und Senf für den knackig-frischen Salat bis hin zu den perfekten kleinen Blaubeerpfannküchlein mitVanilleeis. Es gab einfach niemanden, dem es nicht schmeckte, alle waren einfach nur entzückt. Ich selbst konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so gut gegessen hatte.
»Das ist wirklich ein ganz köstliches Mahl gewesen«, sagte Urs Körner und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. »Ich wusste ja, dass die gute Polly eine ganz fantastische Köchin ist, aber heute hat sie sich selbst übertroffen. Und ohne Kaviar, Hummer und den anderen angeberischen Schickimickiquatsch - ganz bodenständig, so wie ich es liebe.«
»Aber trotzdem fein und raffiniert«, stimmte seine Frau zu. »Du musst mir unbedingt das Rezept geben, Polly.«
Anton zwinkerte mir von der gegenüberliegenden Tischseite zu. Man hatte ihn neben die Tochter der Körners gesetzt, eine vierunddreißigjährige PR-Frau mit Modelmaßen und wunderschönen roten Locken. Frederike Körner, offensichtlich unverheiratet und offensichtlich ganz scharf auf Anton. Warum sonst legte sie ihm ständig die Hand auf den Arm, zupfte ihm die Krawatte gerade oder tupfte ihm mit der Serviette einen nicht vorhandenen Klecks Sahnesoße vom Mundwinkel?
»Die schönsten und klügsten Mädchen bleiben immer am längsten solo«, hatte Antons Vater, Rudolf mit der roten Nase, gleich zu Anfang gesagt. »Was ist nur mit den Männern von heute los?« Und dabei hatte er seine beiden Söhne vorwurfsvoll angeschaut.
»Papa würde liebend gern wieder in den Zeiten leben, in denen die Eltern noch die Heirat ihrer Kinder arrangiert haben«, hatte Johannes mir zugeflüstert. »Frederike ist die beste Partie der nördlichen Hemisphäre. Wenn sie in unsere Familie einheiraten würde, gäbe es nie wieder Probleme mit Pharma Decker. Die haben nämlich nur Töchter.«
»Jung gefreit, nie gereut«, hatte Frederikes Bruder gesagt und dabei den Arm um seine Ehefrau gelegt. Frederikes Bruder war ebenfalls rothaarig, aber er hatte keine Modelmaße, sondern brachte geschätzte hundertzwanzig Kilo Lebendgewicht auf die Waage, verteilt auf einen Meter fünfundsiebzig. Aus demGesichtsausdruck seiner Frau zu schließen, bereute sie es sehr wohl, jung gefreit zu haben.
Während des Essens war ich in Gedanken immer schon so mit dem nächsten Gang beschäftigt, dass ich dem friedlich dahinplätschernden Gespräch kaum folgte. Polly und ich arbeiteten zwischen den Gängen in der Küche auf Hochtouren. Es machte richtig Spaß, vor allem mit dem Aga -Herd. Sobald ich genug Geld zusammenhatte, würde ich mir auch so einen kaufen.
Über der Kocherei hatte ich ganz vergessen, dass ich mich ja eigentlich in Gegenwart von Antons Familie wie ein armes Würstchen fühlte. Ich war so in meinem Element gewesen, dass ich meine Komplexe vollkommen verdrängt und Antons Mutter sogar die ganze Zeit noch herumkommandiert hatte: »Ja, Polly, das ist gut, aber die Zwiebeln müssen noch feiner gehackt werden. Polly, ich brauche etwas Sherry, bitte, nein, den nicht, haben Sie keinen trockenen?« Und so weiter und so fort. Ich bekam einen heißen Kopf als ich mich jetzt, beim Espresso, daran erinnerte, was ich zu ihr gesagt hatte, als der Wagen von Körner die Einfahrt hinaufrollte: »Oh, schnell hoch mit Ihnen, Polly! Bringen Sie das mit Ihrem Augen-Make-up in Ordnung! Und gurgeln Sie mit Mundwasser. Sonst riechen die Körners noch Ihre Whiskey-Fahne und merken, wie nervös Sie sind.«
War ich wahnsinnig gewesen oder was?
Aber Polly war widerspruchslos davongehastet und hatte nur zwei Minuten später die Gäste perfekt aufgemacht begrüßt. Immerhin, das hatte sie mir zu verdanken, oder?
Ich trank meinen Espresso und sah verstohlen zu Anton hinüber. Er unterhielt sich blendend mit der rot gelockten Frederike. Da, jetzt legte sie ihm schon wieder die Hand auf den Arm!
Seltsamerweise drehte sich das Gespräch um Renaissance-Kunst, genauer gesagt, um Leonardo da Vinci.
»Im Grunde war er gar nicht so ein großer Künstler«, sagte Frederike. »Man ist sich ja nicht mal sicher, ob er die Gemälde, die ihm zugeschrieben werden, auch wirklich gemalt hat. Nein,nein, das eigentlich Geniale an Leonardo waren seine vielen Erfindungen.«
»Ich liebe Leonardo da Vinci«, mischte sich Polly ein. »Ich finde, da steckt so viel Mystisches in seinen Werken, so viele versteckte Hinweise auf seine Tätigkeit als Freimaurer.«
»Wie im heiligen
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