Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Felsspalten pfeifen, das Schaben von Klauen auf losen Steinen, die Rufe von Jagdvögeln und das Todeskreischen kleiner Tiere, aber nichts Menschliches. Sehr hoch über ihnen erspähte sie gelegentlich zwei Vögel, die im Wind kreisten. »Adler«, meinte Cadvan knapp. »Sie sind keine Vögel der Finsternis. Sie suchen nur Beute.« Dennoch konnte Maerad ein Gefühl der Bedrohung nicht abschütteln, das den ganzen Tag lang zunahm, während das Gelände unwirtlicher wurde und die Straße durch Felsschluchten verlief, deren Seiten lotrecht neben ihnen aufragten. Aber immer noch blieb das Land verwaist, und sie vernahm bis zum Abend weder Schritte noch Hufe. Die Stille selbst wirkte bedrohlich.
In jener Nacht lagerten sie etwas abseits der Straße unter einem Felsüberhang. Sie zündeten kein Feuer an. Die Pferde stampften und kreisten und rupften das zähe, bittere Gras, während die beiden Reisenden stumm dasaßen und auf die Straße und den felsigen Horizont dahinter starrten, der das Sternenzelt mit dunklen Klingen abschnitt. Cadvan ließ Maerad wissen, dass sie sich mittlerweile weniger als zwei Tagesritte von Ettinor entfernt befanden. »Wenn uns das Glück hold bleibt, sind wir in drei Tagen oder so daran vorbei«, sagte er. »Allerdings misstraue ich den Hügeln. Es ist mir hier gar zu still.« »Wir gehen nicht nach Ettinor?«, fragte Maerad, die dabei an Heigar und einige andere Barden denken musste, die in Inneil gewesen waren.
»Unter keinen Umständen«, erwiderte er. »Wir beschreiben einen Bogen darum durch den Gau, danach verlassen wir eine Weile die Straße. Hinter Ettinor verläuft der Weg den Aleph entlang direkt nach Norloch. Ich denke, wir sollten uns von jetzt an weitestgehend von Straßen fernhalten. Wenn die Finsternis, wie ich es befürchte, den Verdacht hegt, dass du die Auserkorene bist, wird sie jedes ihr zur Verfügung stehende Mittel einsetzen, um dich zu finden.«
Kurz vor der Morgendämmerung sanken die Temperaturen jäh, und es begann zu nieseln. Maerad und Cadvan brachen früh auf, um das Blut in den durchfrorenen Gliedern in Bewegung zu versetzen. Im grauen Morgenzwielicht wirkte die Landschaft noch trostloser als am Tag davor. Bei Maerad machte sich nach der erbarmungslosen Geschwindigkeit der letzten Tage allmählich Erschöpfung bemerkbar, zudem fühlte sie eine noch tiefer sitzende Müdigkeit, die eher den Geist als den Körper betraf und noch schwieriger zu überwinden war. Imi lief nicht mehr mit federndem Gang, sondern stapfte nur vor sich hin und hielt verbissen mit Darsor Schritt, der unvermindert stolz vorantrabte. Während Maerad auf Imis Rücken schwankte, fühlte sie sich elend. Ihre Hände waren vor Kälte taub, ihr Mantel schlotterte nass um ihre Knie, ihr Gesicht war rau vom Wind. Sie versuchte, nicht an ein Bad oder einen heißen Braten zu denken, obwohl fortwährend Bilder von beidem in ihrem Kopf auftauchten -was sie ihre gegenwärtige Lage umso schlimmer spüren ließ.
Der Nieselregen hielt den ganzen Vormittag an, ehe er in einen richtigen Dauerregen überging. Sie hielten für eine hastige Mittagsmahlzeit an, danach versiegte zwar der Regen, wurde jedoch durch einen eisigen Wind ersetzt, der ihnen durch die Kleider fuhr und sie bis ins Mark durchfror.
Cadvan blieb ungebrochen wachsam und sah sich ständig um, doch Maerad war zu kalt, um sich darum zu kümmern, und so ritt sie in dumpfem Elend vor sich hin. Es überraschte sie, als er anhielt und die Hand hob, um ihr zu bedeuten, dass sie es ihm gleichtun sollte. »Horch!«
Maerad zuckte zusammen und entsandte schuldbewusst ihr Gehör. Unter dem matten Geheul des Windes vernahm sie in der Ferne Hufschlag. Das Geräusch hörte sich nach einem einzelnen Pferd an, das auf sie zuhielt. Fragend wandte sie sich Cadvan zu. »Ich glaube, es befindet sich etwa eine Meile vor uns«, meinte Cadvan. »Ein einsamer Reisender in diesen Gefilden muss ein Barde sein. Und ich kann uns jetzt nicht tarnen - auf diese Nähe würde er den Zauber spüren.« Er sah Maerad an. »Wir werden so tun müssen, als wären wir schlichte Reisende. Schau nicht überrascht oder entsetzt drein, wenn es ein Untoter ist. Was ich für unwahrscheinlich halte; aber falls doch, wäre er wohl in einen Trugbann gehüllt, du könntest es also nicht wissen, wenn du keine Bardin wärst.«
»Aber wird ein Untoter nicht merken, dass wir Barden sind?«, fragte Maerad unbehaglich.
»Wahrscheinlich wird er bei diesem Wetter nicht so genau hinschauen«,
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