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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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waren hinter den Stein geschleift und achtlos liegen gelassen worden. Alle starrten blicklos in den Himmel. Sie waren grässlich verstümmelt. Fliegen krochen bereits über sie. Maerad wandte den Blick ab und kehrte rasch um.
    Leise sahen sie sich im Lager um. »Vielleicht sollten wir in den Wagen nachsehen«, schlug Maerad zittrig vor.
    Das Innere der Wagen war völlig verwüstet worden. Den umgekippten Wagen betraten sie nicht, sondern schauten nur hinein. Überall waren Gebrauchsgegenstände und Habseligkeiten verstreut, Flaschen mit Öl, Getreide und Eingemachtem lagen zerbrochen auf dem Boden. Am fernen Ende befanden sich schmale Pritschen, deren Matratzen aufgeschlitzt worden waren. Die Füllung aus Rosshaar und Stroh bedeckte den Boden. Früher mussten die Wagen recht heimelig gewirkt haben. Sie enthielten helle Stoffe, nunmehr zerrissen und besudelt, und handgeschnitzten Zierrand sowie Holzspielzeug. Maerad hob eine kleine Katze aus schwarzem Holz auf und hielt sie in der Handfläche.
    »Wer tut so etwas?«, fragte sie.
    »Ich weiß es nicht«, gab Cadvan erschüttert zurück. »So etwas habe ich nie verstanden und werde ich nie verstehen.«
    Ein Bild von dunklen Gestalten mit bösartig, rötlich schimmernden Augen stieg vor Maerads geistigem Auge auf. »Glaubt Ihr, es waren … Untote?«
    »Untote weiden sich am Leid anderer.« Cadvans Mine blieb ausdruckslos. »Es spricht etwas an, das in ihnen selbst fehlt.« Maerad musste an die Leichname denken und schauderte. »Es ist durchaus möglich, dass sie nach uns gesucht haben«, fügte er hinzu. »Wir sollten uns hier nicht aufhalten.«
    Sie bückten sich gerade, um den Wagen zu verlassen, als sie ein leises Geräusch vernahmen, das an ein Niesen erinnerte. Beide waren schlagartig auf der Hut. Sie drehten sich um und spähten abermals hinein. Es schien unmöglich, dass sich jemand in einem derart winzigen Raum verstecken konnte. Sie kämpften sich in den hinteren Bereich mit den Betten vor; auch dort entdeckten sie kein wahrscheinliches Versteck, und das Geräusch wiederholte sich nicht. Es war, als hielte alles um sie herum den Atem an. Cadvan verharrte reglos und lauschte. Dann ging er zu einer der Liegestätte und warf die Überreste der Matratze auf den Boden. Darunter befand sich ein Holzbrett. Es schien sich lediglich um den Grundstock des Bettes zu handeln, doch er überprüfte es eingehend und fand schließlich am Kopfende einen kleinen Schnapper, den er aufspringen ließ. Dann hob er das Brett weg. Darunter kam ein schmaler Hohlraum zum Vorschein, so lang wie das Bett und höchstens eine Fußlänge hoch. Aus der Dunkelheit darin starrten zwei von Grauen erfüllte Augen empor. Es war ein Junge.
    Erschrocken blickten die beiden einander an, dann beugte Maerad sich vor, um dem Jungen herauszuhelfen. Er gab einen Laut wie ein verängstigtes Tier von sich und presste sich tiefer in die Dunkelheit.
    »Wir tun dir nichts«, sprach Maerad leise. »Wir wollen dir helfen.« Abermals streckte sie sich und versuchte, den Knaben aus dem Versteck zu ziehen, doch er klammerte sich krampfhaft am Holz fest. Dabei gab er keinen Mucks von sich. Maerad redete beschwichtigend auf ihn ein, und endlich ließ er los, sodass sie ihn hervorholen konnte. Er fiel vor ihnen auf den Boden und begann heftig zu schluchzen und hemmungslos zu zittern. Tränen flössen nicht. Er stank, und sein Gesicht war dreckig und mit Staub überzogen. Cadvan hob ihn hoch und brachte ihn aus dem Wagen hinaus ins Tageslicht.
    Draußen stellten sie fest, dass es sich um einen etwa zwölfjährigen Knaben mit dunklen Haaren, blauen Augen und dunkler, olivfarbener Haut handelte. Er wirkte mitleiderregend dürr. Schatten brandmarkten die eingefallenen Züge. Cadvan suchte eine Pfanne und einen Lappen, dann holte er ein wenig Wasser aus einem kleinen Tümpel in der Nähe. Behutsam wusch er das Gesicht des Jungen. Anschließend kehrte er in den Wagen zurück und holte ein paar Kleidungsstücke: ein Hemd, eine Hose, eine aus rauer Ziegenwolle gestrickte Weste und einen dicken, im Stil Zmarkans gewobenen Mantel mit um die Aufschläge eingestickten, sonderbaren Tieren und einer Kapuze. Vorsichtig schälte er den Knaben aus seinen Kleidern und wusch ihn dabei. Der Junge sagte immer noch nichts, ließ Cadvans Treiben teilnahmslos über sich ergehen und begehrte nur auf, als Cadvan versuchte, einen Stoffbeutel zu lösen, den er an einer Schnur um den Hals trug; doch allmählich ließ sein Zittern nach, während

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