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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Iris«, sprach er. »Möge das Licht ihre Seelen beschützen, und mögen sie jenseits des Tores Trost finden.«
    Schweigend, mit gesenkten Köpfen standen die drei da. Das einzige Geräusch bildete das leise Pfeifen des Windes, der über den Felsen strich. Cadvan begann, einen Stein auf die Ritze zuzurollen, um sie zu versiegeln. Maerad ging ihm zur Hand, schließlich auch Hem. Binnen kurzer Zeit war sie völlig verdeckt.
    Danach gab es nichts mehr zu tun. Hem kehrte in den umgekippten Wagen zurück, kam bald darauf wieder heraus und stopfte ein paar Dinge in den Beutel, den er um den Hals trug. Vorräte gab es keine, die sie mitnehmen konnten. Die kleine Holzkatze behielt sie. Cadvan setzte Hem vor sich auf Darsor, und sie brachen auf. Sie ritten bis lang in die Nacht hinein, leise wie Schatten im ungewissen Licht des Mondes. Sie alle wollten so weit wie möglich weg von diesem einsamen Ort, der durch die gewaltsamen Tode schauerlich wirkte. Maerad dachte an den von Untoten gemeuchelten Dernhil und erschauerte im Geiste. Sie war außerstande, den Anblick der gemetzelten Familie zu verdrängen, die achtlos wie Unrat hinter dem Felsblock beseitigt worden war. Sie wünschte, sie hätte sie nicht gesehen.

Kapitel achtzehn

Die Gebrochenen Zähne
    Hem erwies sich als das schweigsamste menschliche Wesen, dem Maerad je begegnet war. Er ritt mit Cadvan, weil Imi nicht stark genug war, zwei Reiter zu tragen. Den ganzen Tag sprach er kein einziges Wort. Auch Cadvan schwieg oft, doch seine Stille wirkte eher gelassen und wie ein Zeichen von Zerstreutheit oder Nachdenklichkeit. Hem hingegen war angespannt, zappelig, stets auf der Hut und hinter dem grob gestutzten Haar argwöhnisch. Mitunter wirkte er wesentlich älter als seine zwölf Jahre. Manchmal sprach aus seinem Gesicht die Weltüberdrüssigkeit eines Greises, der zu viele Schrecken miterlebt hat, dann war er wieder der verstörte kleine Junge. Nachts rollte er sich hin und her und trat um sich, und gelegentlich ließ ihn schreiend ein Albtraum erwachen, bis Maerad oder Cadvan ihn beruhigten, indem sie ihm die Stirn streichelten. Ihre Hilfe und Fürsorge nahm er zwar an, jedoch gänzlich teilnahmslos und ohne Anzeichen von Dankbarkeit. Er aß, was man ihm vorsetzte, und antwortete, wenn er angesprochen wurde, doch von sich aus stellte er weder Fragen, noch erteilte er Auskünfte.
    Maerad fand Hem faszinierend; sie fühlte sich von ihm zugleich beunruhigt und angezogen. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie in der Lage, einem Menschen zu helfen, dem es noch schlechter ging als ihr, wodurch sie sich stärker und selbstsicherer fühlte. Allerdings steckte Hem voller seltsamer Abgründe und Spannungen, die sie nicht verstand und die sie ob ihrer schieren Düsternis bisweilen sogar ein wenig verängstigten. Sie fragte sich, wovon er träumte. Hin und wieder fragte sie ihn danach, doch er wollte es nicht verraten. Seine Furchtsamkeit, der Argwohn in seinen Augen, der von einer grausamen Geschichte zeugte, erregte ihr Mitgefühl. Doch vor allem spürte sie an ihm etwas, das sie nicht einzuordnen vermochte, eine Art Schimmer, dachte sie, der ihr Rätsel aufgab.
    Maerad und Cadvan einigten sich stillschweigend darauf, nichts von ihrem Bardentum zu erwähnen, weshalb Maerad am nächsten Abend keinen Unterricht erhielt. Es war schwierig, sich zu unterhalten, wenn der Junge neben ihnen saß, und über ihn konnten sie gar nicht reden, solange er dabei war. Maerad versuchte, etwas über sein Leben in Erfahrung zu bringen, doch er zeigte sich wenig mitteilsam. Er verriet ihnen nur, dass die Leute mit den Wagen eine Familie gewesen waren, zwei Brüder, die Frau eines der beiden und deren Kind; und dass sie Pilanel gewesen waren, Wandervolk, das sich nirgendwo niederließ, sondern in seinen Wagen lebte und von Ort zu Ort zog, um sich als Spielleute, Flickschuster oder Landarbeiter zu verdingen. Was Cadvan bereits vermutet hatte. Hem meinte, er hätte etwa ein Jahr bei ihnen verbracht, wollte aber nichts über sein Leben davor preisgeben, außer dass er ein Waisenkind war und sie ihn aus Güte bei sich aufgenommen hatten, weil er sonst nirgendwohin konnte.
    »Was wollten sie mitten in der Valverras?«, erkundigte sich Maerad.
    Der Jung erwiderte nichts, starrte geradeaus und kaute auf einem Grashalm. »Wie seid ihr überhaupt hierhergekommen?«, bohrte Cadvan nach. Das hatte auch Maerad sich schon gefragt: Wie mochte es ihnen gelungen sein, zwei Wagen über diese pfadlose Ode zu zerren?

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