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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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führte die Straße durch einen kleinen Wald, wo ihnen gefleckte Schatten die Gesichter kühlten, was eine willkommene Erleichterung von der Wärme des Tages darstellte. Sie sahen zahlreiche Leute: Bauern mit Karren, Kinder beim Spielen oder bei Botengängen, Frauen mit großen Weidenkörben und einmal einen Hirten mit seinen Hunden und Schafen, die den Weg wie eine blökende Wolke ausfüllten. Manchmal begegneten sie auch Reitern in Mänteln, die Maerad für Barden hielt.
    Als die gerade Straße am Vormittag des vierten Tages das Tiefland von Carmallachen erreichte, trieben sie die Pferde zu einem schnellen Handgalopp an. Gelegentlich erblickten sie den Aleph, der sich viele Meilen zu ihrer Linken wand und in der Sonne funkelte. Cadvan spähte mit verkniffenen Augen gen Himmel. »Ich glaube, unser prächtiges Wetter wird bald umschlagen«, sagte er. »Der Wind dreht sich.« Am späten Nachmittag näherten sie sich endlich den Mauern von Norloch. Inzwischen hatte sich über den Großteil des Himmels eine dunkle Wolkenbank ausgebreitet, und ein frostiger Wind blies. Die Sonne neigte sich dem Horizont entgegen und sank hinter die Wolken, wodurch sie ein üppiges goldenes Licht entfesselte, das alles in eine übernatürliche Klarheit zu tünchen schien. Es war, als hielte die Welt den Atem an. Aus nächster Nähe ragte die Stadt schwindelerregend hoch auf. Maerad verrenkte sich den Hals, um ganz nach oben zu sehen und fühlte sich, als würde gleich alles über ihr zusammenstürzen und sie unter einer gewaltigen Steinmasse begraben. Die Straße führte zu einem hohen, aus schwarzem Eisen geschmiedeten Stadttor, ohne jeden Schmuck bis auf die riesigen Silberangeln, die zu sich kräuselnden Flammen geformt waren. Uber dem Tor befand sich ein Steinturm mit einer Glockenstube aus weißem Stein, in der eine mächtige Bronzeglocke hing. »Die Tore werden beim Glockenschlag zum Sonnenuntergang geschlossen. Wir kommen gerade rechtzeitig«, erklärte Cadvan. »Ich habe per Vogel eine Botschaft an Nelac geschickt, aber wir haben das letzte Stück schneller geschafft, als ich dachte. Ich hoffe, er erwartet uns.« Er wandte sich Maerad zu, jedoch ohne zu lächeln. Die Peitschenmale prangten immer noch deutlich quer über seinem Gesicht, und sein Auge war schwarz angelaufen. Es entsetzte Maerad, wie blass und angespannt er wirkte. »Sofern ich irgendetwas von Wetterkunde verstehe, steht uns heute Nacht ein schlimmes Unwetter bevor.«
    Sie ritten unter den Torbogen, dessen dunkler Schatten über sie fiel. Die Sonne begann bereits zu schwinden. Vor ihnen erstreckte sich eine breite Straße, gesäumt von großen Steingebäuden mannigfaltiger Art: der Neunte Kreis von Norloch. Auf der gegenüberliegenden Seite wurde der Kreis von einem Steinkai begrenzt, der sich unter schwarzen Klippen entlangzog, doch Cadvan führte sie davon weg und bergauf zum Achten Kreis. Ein paar fette Regentropfen platschten auf die Straße. Maerad schauderte und zog den Mantel eng um sich.
    Cadvan drängte sie zur Eile, da er Nelacs Haus unbedingt vor dem Ausbruch des Sturmes erreichen wollte, doch auch, wie Maerad schien, weil ihn eine Dringlichkeit trieb, die sie nicht zu deuten vermochte. Es war keine Zeit, um anzuhalten und sich umzusehen, aber sie erhielt den verworrenen Eindruck breiter Straßen, erhellt von riesigen Lampen, die ein stetes Licht auf prunkvolle Häuser und Herbergen warfen. Das Zwielicht schwand rasch, und als die Sonne schließlich gänzlich unterging, hörte sie lautes Geläut; die Glocke von Norloch verkündete den Anbruch der Nacht und das Schließen der Tore. Dann herrschte fast schlagartig, wie Maerad fand, tiefe Nacht. Die vereinzelten Regentropfen prasselten mittlerweile heftiger, und fernes Donnergrollen war zu hören. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Sturm über ihren Köpfen tobte.
    Die Pferde erklommen die neun Ebenen rasch, die sich von Tor zu Tor hin und her wanden. Norloch war vor vielen hundert Jahren auf einem Felsen errichtet worden, der aus einem von steilen Klippen umgebenen Hafen über zweihundert Meter emporragte. Auf einer Seite fiel der Fels lotrecht zum Meer hin ab, auf der anderen neigte er sich sanfter in Richtung des Tieflands von Carmallachen. Auf jenem letzteren Hang war die eigentliche Stadt entstanden. Die Kreise von Norloch stellten eigentlich Halbkreise dar, die umso unregelmäßiger wurden, je mehr sie sich den Ebenen näherten, und die Mauern erstreckten sich von Klippe zu Klippe. Im Neunten

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