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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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plötzlich fest, dass sie aufs offene Meer abgetrieben war, ohne es zu bemerken, sodass sie nun unergründliche Tiefen unter ihren Füßen vorbeiziehen sah, wo sie sonnenerhelltes Flachwasser vermutet hatte.
    Cadvan stand auf und warf den Grashalm weg. »Jetzt ärgern mich die verlorenen Tage umso mehr! Aber vorerst sitzen wir hier fest.« Er blickte zum Himmel. »Der Glockenschlag wird bald ertönen«, sagte er. »Wir sollten hineingehen.«

Zehntes Kapitel

Abschied
    Die nächsten paar Tage verliefen erfüllt vom selben Trott: Dernhil am Vormittag, grimmig komische Sitzungen mit Indik am Nachmittag, die jedes Mal damit endeten, dass Maerad trotzig das Kinn vorschob, wenn sie nicht gerade den Tränen nahe war. Indiks Konversation beschränkte sich auf gnadenlose Witzeleien über ihre Tolpatschigkeit, obwohl Maerad am dritten Tag nicht mehr das Schwert fallen ließ, wenn sie versuchte, seine Hiebe abzuwehren, und es ihr einmal beinahe gelang, seine Verteidigung zu durchbrechen. Darob verdoppelte er seinen Spott nur noch, und Maerad verkniff die Lippen zu einer schmalen Linie. Sie wünschte, sie wäre gut genug im Umgang mit dem Schwert, um einen Narren aus ihm zu machen, doch er konnte sie so mühelos entwaffnen, als wäre sie ein fünfjähriges Kind. Ihren einstündigen Ritt auf Imi genoss sie stets, am liebsten aber waren ihr die Vormittage mit Dernhil, der ihr eine neue, aufregende Welt eröffnete.
    Dernhil zeigte sich seinerseits verzückt von der Schnelligkeit, mit der sie lernte; binnen weniger Tage war sie in der Lage, vergleichsweise mühelos einen kurzen Absatz oder ein kleines Gedicht zu lesen. Es war, wie er meinte, als erinnerte er sie bloß an etwas, das sie vergessen hatte, statt ihr etwas völlig Neues beizubringen, das sie noch nicht kannte. Als Lehrer unterschied er sich sehr von Mirlad: Er war nicht annähernd so streng und neigte eher dazu, sie durch Lob zu ermutigen. Unter seinem Geleit blühte Maerad förmlich auf. Nicht selten sah sie sich in seinem Reich um und seufzte. So viele Bücher in so vielen Sprachen, und sie war mit Müh und Not imstande, die dünnsten davon zu lesen!
    »Vielleicht kann ich nach unserer Reise nach Norloch zurückkehren, um mehr zu lernen«, schlug sie Dernhil am nächsten Tag vor. »Es gibt noch so vieles, was ich nicht weiß …«
    Dernhil schaute von einer Arbeit auf, die er ausbesserte. »Das wäre in der Tat schön«, meinte er. »Wenn du das tust, werde ich dich gerne weiter unterrichten.« Er lächelte, doch etwas an der Geste versetzte ihr einen Stich ins Herz; seine Augen verweilten auf ihrem Gesicht… Sie senkte den Kopf und verdrängte das Gefühl.
    Cadvan bekam sie überhaupt nicht zu sehen. Abends aß sie mit Silvia und Malgorn oder in der Halle mit den anderen Schülern, die sie entweder von der Seite her oder mit übertriebener Ehrfurcht betrachteten. Manchmal verbrachte sie gut und gern eine Stunde damit, die Gis-Spieler am Tisch in der Ecke der Halle zu beobachten. Sie war wie gebannt von der verworrenen Schönheit des Spiels, bei dem mit schwarzen und weißen Steinen auf einem sechseckigen Brett mit zahlreichen Feldern gespielt wurde, aber sie fand nie heraus, wie die Regeln lauteten. Bei Gis lernte man, so sagte man ihr, ein ganzes Leben lang nicht aus: Es war zugleich ein Spiel taktischer Schläue und geistigen Urteilsvermögens. Maerad verfolgte die seltsamen Muster der Spielsteine, die sich im Verlauf des Spiels bildeten und wieder verschwanden, gleichermaßen verzaubert wie verständnislos.
    Es gab immer Musik zu hören, aber Maerad selbst spielte für niemanden mehr, nur alleine nachts in ihrem Zimmer, wenn sie das Bedürfnis verspürte. Einsam fühlte sie sich nicht, dafür war sie zu beschäftigt und abends schlichtweg zu erschöpft. Binnen zwei Tagen beschlich sie das merkwürdige Gefühl, schon immer in Inneil gelebt zu haben. Die Schule erschien ihr nicht mehr so groß und seltsam, und bisweilen verblüffte es sie, wie mühelos sie in dieses Leben hineingewachsen war, als hätte sie vertraute Kleider übergestreift.
    Am zweiten Tag verabschiedete sich das klare Frühlingswetter, und die nächsten drei Tage regnete es fast ununterbrochen. Maerads Schwertunterricht wurde in einen beeindruckenden Innenraum verlegt, der offenbar für diesen Zweck gebaut worden war, doch die Reitstunden wurden ungeachtet des Wetters draußen fortgesetzt. Manchmal, wenn sie sich die nassen Haare aus den Augen wischte, hatte Maerad geradezu einen Hass auf Indik,

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