Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Euch?«, bohrte Maerad nach.
Cadvan verzog das Gesicht. »Ich war jung und eitel und hielt mich damals für einen guten Dichter. Er besuchte Lirigon aus einem Grund, der mir entfallen ist, und er war schon damals berühmt. Er war sehr jung und äußerst begabt…Jedenfalls habe ich ihn zu einem Zweikampf herausgefordert, einem Wettstreit, bei dem wir beide aus dem Stegreif Gedichte ersinnen mussten. Ich habe ein solches Aufhebens darum gemacht, dass praktisch die ganze Schule dabei anwesend war.«
»Und was geschah?«
»Ich habe verloren. Aus offensichtlichen Gründen, wenn du dieses Buch liest.« Maerad war erstaunt. Woher hätte sie wissen sollen, dass Dernhil berühmt war? »Aber er hat gesagt, es wären ganz einfache Gedichte.«
»Das scheinen sie auch zu sein. Aber was schlicht wirkt, ist oft am schwierigsten zu verstehen. Jedenfalls«, fuhr er fort, »bin ich nicht deshalb hergekommen. Wir sind für heute Abend beim nächsten Glockenschlag bei Malgorn und Silvia zum Essen eingeladen. Silvia will wissen, wie es dir geht und wie du den Unterricht findest. Auf mich ist sie immer noch alles andere als gut zu sprechen, sieht aber um deinetwillen darüber hinweg. Etwas Zeit haben wir zuvor noch. Wir könnten ja ein wenig im Hof spazieren gehen.«
»Eigentlich soll ich heute Abend lesen üben«, gab Maerad unsicher zurück. »Dernhil wird Verständnis dafür haben, wenn du nicht dazu kommst. Ich könnte mir denken, dass du sehr müde bist. Wir beide sollten ein wenig die frische Luft genießen.«
Maerad musterte Cadvan neugierig, als sie in der lauen Abendluft auf den Hof hinaustraten. Vielleicht lag es an der zunehmenden Finsternis, die Schatten über sein Gesicht warf, aber er wirkte angespannt oder möglicherweise sogar ein wenig verärgert, wobei dies bei Cadvan schwierig abzuschätzen war. Außer Frage stand, dass er sie recht eilig voranscheuchte. Sie setzten sich auf die Bank, und Cadvan holte tief Luft. Er blickte zum Himmel empor. Ein Stern nach dem anderen wagte sich hervor.
»Es ist so friedlich hier«, meinte er, dann schwieg er eine Weile und lauschte dem Plätschern des Wassers vom Springbrunnen in den Teich und dem Zwitschern der Vögel, die sich zum Schlafen auf den Dachgesimsen niederließen. »Maerad, die nächsten paar Tage wird die Zeit sehr knapp bemessen sein. Ich habe veranlasst, dass dir ein paar grundlegende Dinge beigebracht werden, damit du wenigstens ein wenig von dem lernst, was du wissen musst. Ich wünschte aus tiefstem Herzen, wir könnten ein paar Monate bleiben, damit du eine weitergehende Ausbildung erhältst, aber das geht nicht. Wenn es mir möglich wäre, würde ich schon morgen aufbrechen.« »Müssen wir wirklich schon so bald weg?«, fragte Maerad.
»Ja, je früher, desto besser. Ich ertappe mich dabei, dass mir diese Verzögerung zu schaffen macht, obwohl sie sich nicht vermeiden lässt. Ich habe in Norloch Dinge zu erledigen, und bis wir dort sind, kann auch nichts gemacht oder entschieden werden, was dich betrifft. Es ist eine lange Reise, und ich wünschte, du wärst besser darauf vorbereitet. Aber in der Not nehmen die Lahmen die Beine in die Hand, wie man so schön sagt.« Kurz setzte er ab. »Ich habe meine Zeit schon angenehmer als heute verbracht. Die ganze Zeit nur Streitgespräche mit Barden - das ist erschöpfend und überflüssig.«
»Also läuft es nicht gut?« Maerad musterte Cadvan verstohlen; was beunruhigte ihn nur dermaßen?
»Nein«, antwortete er kurz angebunden. Es schien, als wollte er nichts weiter sagen, dann jedoch fügte er unverhofft hinzu: »Maerad, es kursieren allerlei Gerüchte über mein Gesuch, dein alleiniger Lehrer zu werden. Ich dachte, ich sollte dich warnen.« »Gerüchte?«
»Anscheinend habe ich in halb Annar für Aufruhr gesorgt. Sogar Malgorn hegt Zweifel. Alle glauben, ich hätte wegen eines hübschen Gesichts den Kopf verloren.« Er vollführte eine ungeduldige Geste. »Vielleicht ist es nur gut, wenn die Übelwollenden Böses reden: Das verschleiert andere Zwecke. Aber ich muss zugeben, dass mir die Geduld für derlei Kleinlichkeiten fehlt; ich fühle mich besudelt…« Verdutzt starrte Maerad ihn an, ehe sie plötzlich begriff, wovon er redete. »Oh!«, stieß sie hervor und lief hochrot an.
»Eigentlich spielt es keine Rolle, Maerad«, meinte Cadvan mit einem süßsauren Blick. »Es ärgert mich einfach. Barden sollten über solch platten Gerüchten stehen. Was wirklich zählt, ist, dass du im Verlauf der nächsten
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