Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Maerad, der bei dem Gedanken das Wasser im Mund zusammenlief, und nachdem sie den Schmortopf geleert hatten, genossen sie den Kuchen, heiß und frisch aus dem Ofen. Der kreuz und quer verlaufende Teig erwies sich als so locker, dass er auf der Zunge zerging, und der Dickrahm schimmerte buttergelb durch die Karamellapfelfüllung.
»Das war ein fürstlicher Kuchen«, meinte Cadvan mit einem gedehnten Seufzen. Als Halifax kam, um die Teller abzuräumen, teilte Cadvan ihm dasselbe mit, worüber der Herbergswirt sich zu freuen schien.
»Marta wird mächtig glücklich sein, das zu hören«, sagte er. »Sie gibt sich beim Kochen immer größte Mühe, oh ja, auch wenn es manchen egal ist oder nicht auffällt.«
»Die Dinge haben sich in den vergangenen paar Jahren zum Schlechteren gewendet, so viel steht fest«, meinte Cadvan. »Mein Vetter betreibt eine Herberge in der Nähe von Ettinor und vermag kaum noch Leib und Seele zusammenzuhalten.« »Ich hab gehört, die Barden sind droben in Ettinor sehr begierig«, erwiderte Halifax. »Sie lassen den Leuten herzlich wenig fürs Auskommen übrig, machen sich mit dem Schweiß anderer ein feines Leben und sagen nicht mal danke. Nicht wie unsere Schule hier, wo’s gerecht zugeht, wenn Ihr versteht, was ich meine. Hier pflegen sie das Bardentum ordentlich, ohja. Jede Frühlingswende und jeden Ernte tag kommen sie vorbei, und die Kleinen in der Gegend können alle ihren Namen schreiben. Und ich erinnere mich noch, als meine Tochter das Hexenfieber hatte, damals als Säugling - es sah so aus, als müsste sie sterben, aber Oron höchstpersönlich ist hergekommen und hat ihr die Hände aufgelegt.«
»Besser kann man es nicht verlangen«, sagte Cadvan. »Aber andere sind nicht so redlich.«
»Das ist wahr, und ob!«, bestätigte Halifax. Maerad, die während der Unterhaltung mit dem Herbergswirt nicht den Mund zu öffnen gewagt hatte, sah mit Entsetzen, dass er zu einer längeren Plauderei anzusetzen schien. »Erst letzte Nacht, da hatten wir ein sonderbares Paar hier, zwei verschlagene Gestalten«, fuhr er fort. »Deshalb war ich Euch gegenüber erst etwas unwirsch, bitte um Verzeihung. Sie sind vor Sonnenaufgang abgereist, und keinen Heller haben sie für das zurückgelassen, was sie aßen und tranken. Nordländer waren’s, und mit keinen guten Absichten unterwegs, wenn Ihr mich fragt.«
»Das ist übel«, meinte Cadvan, der hellhörig wurde. »Aber nicht alle sind so. Es gibt immer noch anständige Menschen. Wohin wollten die beiden?«
»Das haben sie nicht gesagt; haben nur finstere Blicke um sich geworfen, als wären wir nur Dreck«, gab Halifax zurück. »Aber später dachte ich, sie waren irgendwie fast wie Barden; haben mir ein flaues Gefühl im Magen beschert. Ich konnte ihnen nicht in die Augen blicken.«
Cadvan schüttelte den Kopf. »Dunkle Tage, Herr Halifax. Tja«, fügte er hinzu, streckte sich und gähnte, »dunkle Tage hin, dunkle Tage her, ich muss jetzt ein wenig schlafen.«
»Und ich muss mich um mein Geschäft kümmern, statt hier herumzustehen und zu maulen wie ein altes Weib«, brummte der Wirt. »Gute Nacht!«
Nachdem er gegangen war, stand Cadvan auf und verriegelte die Tür. Er wirkte nachdenklich.
»Was hat er gemeint?«, fragte Maerad neugierig.
»Vielleicht gar nichts, vielleicht doch etwas«, erwiderte Cadvan vage. »Ich glaube, wir haben gut daran getan, Inneil so zeitig zu verlassen. Es gefällt mir ganz und gar nicht, über verschlagene Gestalten zu hören, die wie Barden anmuten. Herbergswirte sind nicht dumm; sie sind es gewöhnt, allerlei Arten von Menschen zu begegnen, weshalb ihr Gespür geübter ist als das der meisten Leute.«
»Meint Ihr verderbte Barden oder so?«, ließ Maerad nicht locker. Doch trotz ihres Nachbohrens wollte er nicht mehr von seinen Gedanken preisgeben.
In jener Nacht fegte der Wind den Himmel sauber, indem er die Wolken vor dem Mond vertrieb, sodass dessen silbriges Licht auf die verschlafenen Äcker und Weiler des Gaus von Inneil scheinen konnte. Der Fluss wand sich funkelnd wie ein diamantenes Band durch die grauen, tauschweren Felder, und der Wind rauschte mit einem Geräusch wie das Meer durch die Bäume. Daneben waren nur die Geschöpfe der Natur zu hören: der Ruf einer Eule, sich im Schlummer regende Rinder, die einsamen Schreie von Wasservögeln, das Kreischen eines winzigen Opfers, das bei seinen nächtlichen Wanderungen von einem Raubtier überrascht wurde. Maerad zuckte unruhig im Schlaf und begann
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