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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Barden. Aber zuerst«, meinte er und warf ihr eine Pastete zu, »iss!«
    Schweigend aßen sie und lauschten dabei dem Knistern des Feuers, den Geräuschen der Pferde, die grasten und einander leise zuwieherten, während die Dunkelheit Einzug hielt. Schließlich lehnte Cadvan sich gegen die Höhlenwand zurück. Seine Augen folgten den Schatten, die über den Fels tänzelten. Er wirkte müde und angespannt, doch seine Stimme ließ keine innere Unruhe erahnen.
    »Die Gesamtheit des Wissens, das den Barden eigen ist, wird das Weistum genannt. Den Mittelpunkt des Weistums bildet die Hohe Sprache, die alle Barden als ihr Geburtsrecht in sich tragen. Angeblich werden manche Barden damit geboren und erlernen die menschliche Sprache erst später auf herkömmlichem Weg. Aber in der Regel entfaltet die Hohe Sprache sich bei Barden in der Kindheit. Das ist nicht immer so, und du stellst eine dieser Ausnahmen dar. In jedem Barden entfaltet sich die Hohe Sprache auf ihre eigene Weise und zu gegebener Zeit. Man kann sie nicht lehren.« »Oh«, machte Maerad etwas enttäuscht. Sie hatte ansatzweise vermutet, Cadvan würde vielleicht eine Beschwörung sprechen oder sie einer Art Ritual unterziehen, worauf ihr urplötzlich die Gabe der Hohen Sprache zuteil geworden wäre. »Also muss ich einfach warten? Was ist, wenn es nicht geschieht?«
    »Das wird es zu gegebener Zeit. Bis dahin schlummert die Hohe Sprache in dir.« »Wie war das, als Ihr die Hohe Sprache gefunden habt? Wie alt wart Ihr?« Einen Lidschlag lang hellten Cadvans Züge sich auf, und Maerad erhaschte einen flüchtigen Eindruck davon, wie er als Kind ausgesehen haben mochte. »Ich erinnere mich noch gut daran«, sagte er. »Ich war damals ein sehr kleiner Junge, etwa fünf Jahre alt. An einem heißen Sommertag schwamm ich mit meinen Brüdern und Schwestern im Fluss, und plötzlich sprach ein Fisch zu mir. Ich war so überrascht, dass ich aus dem Wasser sprang und kreischend zu meiner Mutter rannte.« »Was hat der Fisch gesagt?«, erkundigte Maerad sich neugierig.
    »Er sagte: Du schwimmst wie ein Frosch am Krückstock. Leg dir Flossen zu, du langes Elend!«
    »Und da wusste Eure Mutter, dass Ihr ein Barde wart?«, meinte Maerad lachend. »War sie eine Bardin?«
    »Ja auf die erste Frage. Und nein auf die zweite.« Cadvans Züge verdüsterten sich, als schmerzte ihn der Gedanke, und Maerad bohrte nicht weiter nach. »Also«, fuhr er fort, »den Mittelpunkt des Weistums bildet die Hohe Sprache. Ich kann dir einen Teil des Weistums beibringen, allerdings ergibt er keinen rechten Sinn, bis die Hohe Sprache sich in dir entfaltet. Andererseits bist du im Vorteil, weil du die Musik beherrschst, und es heißt, dass den Mittelpunkt der Hohen Sprache die Stille des Lichtes bildet und dass Musik die einzige mögliche Ausdrucksform jenes Geheimnisses sei. Deshalb wird die Musik unter den Barden so verehrt.«
    Cadvan warf einen weiteren Ast auf das Feuer und schürte es, sodass ein Funkenschwall zur Decke der Höhle aufstob. Vom Licht angelockt flog ein Nachtfalter herein, der linkische Kreise durch die Höhle zog und mit den Flügeln riesige Schatten auf den Stein warf, während Cadvan weitersprach.
    »Das Weistum ist in die drei Künste unterteilt, die alle einem verbundenen Lauf folgen und in Wahrheit einen einzigen Strom bilden. Sie alle dienen dem Gleichgewicht, der Ausgewogenheit der Welt, die bestimmt wurde, als die Zeit selbst noch ein Ei war; aber das sind Geheimnisse, über die wir uns später unterhalten können und die selbst die Weisesten nicht vollends verstehen. Wir nennen die drei Künste das Lesen, das Erschaffen und das Behüten. Das Lesen ist das Wissen um die hehren Künste, Geschichte, Sprachen, Lieder, Überlieferungen, das Aufspüren der höheren Kräfte, die dieses Land formen und beherrschen. Gemeinhin hält man es für Magie, doch es ist tatsächlich so einfach wie Lesen und Schreiben. Das Erschaffen ist genau, was es besagt: Es steht für das Erschaffen von Musik, Gemälden, Gebäuden, Schmuck, Schmiedewaren, Schriften, Tänzen. Das Behüten ist das Wissen über Anbau, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Kindsempfängnis, Wildwuchs, Heilkunst, Vogelkunde und dergleichen.« Er setzte ab und starrte an die Decke. »Manchmal entflammen hitzige Gespräche darüber, welchen der drei Künste ein bestimmter Zweig des Weistums zuzuordnen ist. Ein Barde beispielsweise, der etwas von Macht erschafft, bedient sich zweier Künste: des Erschaffens und des Lesens. Handelt

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