Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
Flockengestöber herrschte. »Irgendwie glaube ich immer weniger, dass wir mit Pferden nach Tlon reiten können«, stellte er fest. »Dieses Schneetreiben sieht mir nicht so aus, als würde es bald enden.« »Das macht der Winterkönig«, platzte Maerad hervor, ohne nachdenken. »Meinst du?« Dharin bedachte sie mit einem überraschten Blick. Wahrscheinlich hast du recht. In diesen Tagen kursieren zahlreiche duunkle Gerüchte, und du kennst zweifellos noch andere Neuigkeiten.«
Maerad wand sich ein wenig. Aufgrund seiner mächtigen Masse und seiner langsamen, bedächtigen Bewegungen hatte sie Dharin ‘s nicht besonders geistesschnell eingeschätzt, doch er schien über eine beunruhigend scharfe Auffassungsgabe zu verfügen. »Aber in einem Sturm kann man nicht reisen«, warf sie ein, um etwas anderes zur Sprache zu bringen.
»Ich habe einen guten Schlitten. Und meine Hunde sind schon ei schlechterem Wetter als diesem gelaufen«, hielt er dem entgegen. »Zugegebenermaßen auf Straßen, die ich gut kenne. Allerdings musst du wissen, dass ich mich nie verirre; man sagt über mich, ich sei wie die Wildgänse, die jeden Sommer über die halbe Welt zum selben Ort fliegen. Aber es stimmt: Selbst der beste Fahrer kann in ein Loch stürzen, wenn er es nicht vor sich sieht.«
Trotz Dharins prahlerischer Worte über das Reisen in Schneestürmen brachen sie erst auf, als das Unwetter nachließ. Es dauerte drei Tage und ließ auf die Mitte des Hügels Schnee herabrieseln, bis er den Rand der unteren Fenster erreichte. Zwar wurden jeden Tag Pfade durch den Schnee geschaufelt, dennoch hielten sich die meisten Menschen an die Tunnel.
Sirkana berichtete Maerad, dass man von einem so frühen Winter seit den Tagen der Herrschaft des Winterkönigs in Zmarkan nicht mehr gehört hatte. »Seine Macht wächst«, stellte das Oberhaupt der Pilanel-Gemeinschaft mit ernster Miene fest. »Ich bezweifle nicht, dass er es ist. Als Cadvan von Lirigon zuletzt in Murask war, habe ich ihm davon erzählt.«
Bei der Erwähnung von Cadvans Namen vollführte Maerads Herz einen kleinen Satz. »Ja, Cadvan war überzeugt, dass der Winterkönig sich erhoben hat. Und er hat gesagt, er sei in Sichtweite an dessen Feste vorbeigekommen«, fügte sie hinzu. »Mittlerweile scheint es mir so gut wie sicher zu sein.«
Sirkana musterte sie mit zu Schlitzen verengten Augen. »Ich verstehe deine Suche nicht ganz, Tochter meines Bruders. Aber wenn Cadvan von Lirigon bei dir war, bezweifle ich nicht, dass sie richtig ist. Außerdem weiß ich, dass du mich nicht zu täuschen versuchst; es ist schwierig, mich zu belügen. Dennoch bin ich besorgt. In dir steckt etwas, das ich nicht erkenne. Es hat nichts mit Dhillarearen zu tun, es ist etwas anderes.«
»Das ist mein Elementarblut«, schlug Maerad vor.
»Nein, es ist mehr als das.« Sirkana runzelte die Stirn. »Elementarblut ist unter den Pilani dem Vernehmen nach weit verbreitet. Trotzdem wundert mich sehr, dass du mit solchen Wesen gesprochen hast.«
»Oh, nur mit einem«, murmelte Maerad, plötzlich verlegen. »Eine Elidhu namens Ardina hat ein paar Mal mit mir geredet.«
»Hmmm.« Sirkanas Züge blieben unergründlich, weshalb Maerad nicht daran abzulesen vermochte, ob sie ihr glaubte oder nicht. »Mit dir sind Geschichten verbunden, die man angesichts deiner jungen Jahre nicht vermuten sollte, so viel steht fest. Nun, ich sehe ein, dass mit deiner Suche Fragen hoher Politik verbunden sind, und ich will dich nicht weiter bedrängen. Ich vertraue dir, und das nicht nur, weil wir verwandt sind. Ich werde dir alle Hilfe geben, die ich zu gewähren vermag.«
Die Wärme, die in Maerads Brust strömte, als Sirkana aussprach, ass sie ihr vertraute, überraschte sie. Unwillkürlich blinzelte sie und spürte ein Brennen in den Augen. Maerad hatte das Gefühl, dass zum ersten Mal jemand so etwas zu ihr gesagt hatte; und seit sie die Bardin auf den Rilnik-Ebenen getötet hatte und Cadvan am Gwalhain-Pass umgekommen war, hatte sie sich nicht einmal selbst vertraut. Hastig wandte sie sich ab, um ihre Gefühlsregung zu verbergen. »Ich danke dir, Sirkana«, presste sie mit belegter Stimme hervor. »Ach, Kleines.« Sirkana legte ihr die Hand auf die Schulter; Maerad zuckte ob der Vertraulichkeit der Geste leicht zusammen. »Selbst für jemand viel Älteren wäre die Bürde schwer zu tragen, die auf dir lastet. Du aber bist obendrein noch sehr jung. Wir alle irren uns manchmal. Bisweilen unterlaufen uns Fehler, tun wir
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