Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
Cadvan und ich das angenommen.«
»Alles besteht aus Rätseln«, meinte Sirkana lächelnd. »Bei uns heißt es, die Ausersehene sei ein Rätsel, vielleicht das größte Rätsel von allen. Aber natürlich werde ich dir helfen.«
Abermals runzelte Maerad die Stirn. »Mirka sagte, dass die Altweisen alle Rätsel beantworten und wissen, was halb ist und was ganz. Das scheint mir ein Hinweis zu sein. Mein Herz verrät mir, dass ich diese Altweisen finden muss. Du weißt offenbar, wer sie sind und wo sie sich aufhalten. Wer sind sie?« »Sie leben weit, weit weg«, antwortete Sirkana. »Im Land des Eises und Feuers, auf den Labarok-Inseln. Sie leben, wo der Schnee niemals schmilzt, wo der Winter eine einzige lange Nacht ist und der Sommer ein einziger langer Tag.« »Wie weit entfernt ist das?«
»Seit Menschengedenken ist kein Pilani je auf den Labarok-Inseln gewesen«, erwiderte Sirkana. »Aber man sagt, der Weg sei dreimal so weit wie von Murask zum Idrom Uakin.« Kurz zeigte Maerad sich verdutzt, dann fiel ihr ein, dass dies die Bezeichnung der Pilani für den Osidh Elanor war. »Es ist eine gefahrvolle Reise, besonders im Winter.«
»Aber ist sie zu schaffen?«, drängte Maerad, der dämmerte, dass sie unter Umständen den ganzen nördlichen Winter in Murask festsitzen würde. Und dann könnte es, selbst wenn ihrer Suche Erfolg beschieden wäre, zu spät sein.
»Ja, es ist zu schaffen, wenn dich jemand führt, der wetterkundig ist und eine Spürnase besitzt, und wenn du Glück hast. Wir wissen aus Überlieferungen, wie man dorthin gelangt, sofern die Altweisen noch dort weilen. Allerdings gibt es nicht nur Eis, Stürme und unwegsames Gelände zu fürchten. Auch die Jussacks gilt es zu bedenken, die Reisenden auflauern. Du wirst gut gerüstet sein müssen.«
»Ich beherrsche ein wenig Schwertkunst«, sagte Maerad. »Und ich besitze Bardenfähigkeiten.«
»Kannst du reiten?«, erkundigte sich Sirkana.
Maerad nickte.
»Bis zur Wintersonnenwende sind es noch zwei Monde; eigentlich ist es noch früh für Schnee, und dieser Sturm sollte vorübergehen«, meinte Sirkana. »Es wäre am besten, mit Pferden nach Tlon zu reiten, wo die nördlichen Klans sich versammeln. Von dort aus wirst du mit Hunden reisen müssen; eine andere Möglichkeit gibt es im Schnee nicht.«
»Mit Hunden?«, fragte Maerad etwas furchtsam. Sie hegte eine tief sitzende Angst vor Hunden. Sirkana fiel ihr Tonfall auf, woraufhin sie ihr einen etwas spöttischen Blick schenkte.
»Dharin ä Lobvar, der Sohn meiner Schwester, ist ein fachkundiger Hundeführer und besitzt ein sehr feines Gespann. Er fährt jeden Winter über die Handelsstrecken zu den nördlichen Klans. Vielleicht kannst du ihn überreden; er ist jung und voller Abenteuerlust.«
»Ist das der Dharin, mit dem ich mich letzte Nacht unterhalten habe?«, fragte Maerad.
»Er saß neben uns, ja. Seine Mutter ist nicht hier; sie weilt mit den anderen Klans südlich in Annar.«
»Aber dann wäre er ja mein Vetter«, stellte Maerad mit leiser Stimme fest. Inzwischen konnte sie längst nicht mehr behaupten, keine Familie zu besitzen. »Ja, das ist er. Aber ich werde ihm von eurer Verwandtschaft nichts erzählen, da ich fürchte, er könnte es in seiner Freude anderen gegenüber ausplaudern. Ob du es ihm sagst, nachdem ihr Murask verlassen habt, liegt ganz bei dir.« Kurze Stille trat ein. Maerad betrachtete die seltsamen Wandgemälde in Sirkanas Zimmer und überlegte, wie es sein konnte, dass sie in Murask so nahe Verwandte hatte und sich dennoch so fremd hier fühlte. Als sie aufschaute, wirkten Sirkanas Augen verschwommen, als sähe sie etwas in weiter Ferne. Doch alsbald blinzelte Sirkana und schien zurückzukehren. Überrascht erkannte Maerad, dass Tränen in ihren Augen glitzerten.
»Ja, er ist dein Vetter«, bekräftigte sie. »Ich denke, es ist ihm vorherbestimmt, dich auf deinem Pfad zu begleiten. Aber das ist ein hoher Preis.«
Obwohl Maerad nachbohrte, wollte Sirkana nicht näher erläutern, was sie damit meinte. Sie sagte nur noch, dass Maerad alles bekommen würde, was sie für die Reise nach Norden brauchte, und dass sie Dharin am nächsten Tag fragen würde, ob auch er willens war, diesen Weg zu beschreiten. Ihre stille Vertraulichkeit schien zerbrochen zu sein; ohne es auszusprechen, ließ Sirkana sie deutlich spüren, dass sie allein sein wollte. Erfüllt von einer plötzlichen Beklommenheit, zog Maerad sich in ihre Kammer zurück.
Maerad konnte es kaum erwarten
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