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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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ermitteln, von wo es stammte. Zuerst hörte es sich wie ein sehr fernes Pfeifen an, dann wie das Geläut unzähliger winziger Silberglocken. Die Laute erinnerten sie an die Stimme, die ihren wahren Namen - Elednor ausgesprochen hatte, als sie als Bardin eingeführt worden war. Das Geräusch schwoll an, klang bald wie ein Klingeln, bald wie das Zischen von Wasser oder Wind, bald wie ein leises Knistern. Mit einer Frage auf den Lippen drehte Maerad sich Dharin zu, doch der hatte sich nach Norden gewandt und starrte an den Himmel. Maerad folgte seinem Blick und sog scharf die Luft ein. Der gesamte nördliche Horizont, von Osten bis Westen, loderte vor Schleiern aus waberndem grünem Licht. Mit offenem Mund beobachtete Maerad, wie die Schleier sich teilten und weitere leuchtende Schlieren preisgaben, die in einem anmutigen Tanz abwechselnd verschwanden und wieder auftauchten. Die Farben erstreckten sich über die gesamte Bandbreite von zartestem Frühlingsgelb zu tiefstem Smaragdgrün, durchsetzt mit prächtigen Purpurtönen. Von Ehrfurcht ergriffen betrachteten sie das Schauspiel, bis der Farbentanz schließlich zu flimmern begann, langsam ermattete und erlosch.
    Maerad seufzte vor purem Glück. »Was sind das für Lichter?«, fragte sie Dharin. »Wir nennen sie die Himmelstänzer«, antwortete er. »Manche meinen, sie stammen aus dem Reich der Toten.«
    »Von jenseits der Tore?« Maerad schaute zum mittlerweile ruhigen Himmel empor, wo der Lukemoi, der Pfad der Toten, mit seinem weißen Schweif von Horizont zu Horizont schillerte, kaum getrübt vom Schein des Mondes. »Ja. Angeblich dringen sie durch, wenn die Tore leicht geöffnet sind und die Grenze zwischen dem Leben und dem Tod verschwommener wird. Deshalb fürchten manche Menschen den Anblick der Lichter.«
    »Ich habe mich nicht gefürchtet«, erwiderte Maerad. »Sie haben sich angehört wie die Summen der Sterne.« Eine Weile schwieg sie nachdenklich. Vielleicht war ihr soeben ein flüchtiger Blick in das reine Herz des Lichts gewährt worden, hinaus über die Tiefen der Weißen Flamme in etwas noch Seltsameres, Kälteres und unendlich Geheimnisvolleres.
    »Was glaubst du, waren das für Geräusche?«, fragte sie schließlich. »Denkst du, das waren die Gesänge des Lichts?«
    »Was für Geräusche?«, gab Dharin zurück. »Ich habe nichts gehört.« »Es war eine Musik. Eine sonderbare Musik …«
    »Es gibt wohl Dinge, die du hören kannst, Base, ich aber nicht.«
    »Na, jedenfalls, ob sie zu fürchten sind oder nicht, ich bin froh, dass ich sie gesehen habe«, erklärte Maerad. »Den Anblick werde ich nie vergessen.«
    »Dass sie wunderschön sind, bedeutet nicht, dass sie nicht auch gefährlich sein können«, gab Dharin zu bedenken. »Trotzdem bin auch ich froh.« Am nächsten Tag warteten sie, bis die Sonne aufging, dann fuhren sie im ersten trüben Schein mit dem Schlitten auf Tolnek-Ol. Die Insel erwies sich als felsig und flach. Weit und breit gab es keine Bäume, und in dem gräulichen, matten Licht wirkte die Umgebung äußerst trostlos. Die ersten Anzeichen auf menschliche Behausungen bildete etwas, das wie Säulen weißen Rauches aussah, die Maerad für den Qualm von Feuerstellen zum Kochen hielt. Dharin aber teilte ihr mit, dass es sich um Dampf aus heißen Quellen handelte. Sie hielten auf die Dampfsäulen zu und trafen bald im Hauptdorf der Insel ein, in Imprutul.
    Zunächst begrüßte sie das Bellen von Hunden. Einige Kinder, so dick in Felle gepackt, dass sie kugelrund wirkten, erblickten sie und rannten schreiend ins Dorf. Dharin lenkte den Schlitten auf einen freien Platz, den eine lose Anhäufung von niedrigen, runden Häusern aus Stein und mit Erdrampen umgab, welche an eine mittelhohe Felswand grenzten. In Pferchen um die Häuser sah man Rotwild, außerdem kamen drei oder vier große Hunde kläffend und angriffslustig knurrend herbeigerannt. Kurz fürchtete Maerad, dass es zu einem Kampf kommen könnte, aber die Hunde des Dorfes wahrten Abstand zu ihnen. Dharin warf einen Blick auf Maerad und spürte etwas überrascht ihre Unruhe. »Ich hoffe, die Erzählungen der Pilani stimmen noch«, meinte er. »Es ist viele Jahre her, seit zuletzt jemand unseres Volkes hier war, und die Dinge verändern sich. Falls man uns hier feindlich gesinnt ist, müssen wir rasch aufbrechen.« Mit plötzlich trockenem Mund nickte Maerad.
    »Wenn alles gut verläuft, wird bald jemand kommen«, fuhr Dharin fort, stieg vom Schlitten und befahl in scharfen Tönen

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