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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Kameradschaft, die damit einherging, gemeinsam eine Gefahr überlebt zu haben. Sie spürte, wie in langen Wellen mehrere Schauder durch Owans Körper liefen. Zittrig lächelte sie ihn an, wobei unerwartete Tränen ihre Augen füllten.
    Owan ließ sie los, und Maerad trat einen Schritt zurück und sah sich ungläubig um. Das Grauen der vergangenen Nacht erschien wie ein Traum, der spurlos verschwunden war. Die Sonne schien mild an einem fahlblauen Himmel, und die einzigen Geräusche, die sie hören konnte, waren das leise Kreischen von Möwen und das friedliche Klatschen der Wellen gegen das Boot. Nur die Weiße Eule selbst legte Zeugnis von den Unbilden der Nacht ab; das sonst so makellose Deck glich einem Gewirr aus Tauen und Trümmern, allesamt von Salz verkrustet; das Segel war immer noch am Mast eingerollt; und die Steuerbordreling war gebrochen, wo der Sturmhund einen Treffer gelandet hatte. Cadvan betrachtete den Schaden. »Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen«, meinte er. »Nur wenige überleben eine solche Begegnung auf hoher See.« Maerad lächelte müde. Cadvan ergriff ihre Hände und küsste sie auf die Wange. »Das hast du gut gemacht, Maerad«, lobte er sie leise. »Sehr gut sogar. Ich weiß nicht, ob wir andernfalls überlebt hätten.«
    »Das war eindeutig der seltsamste Zuhörer, den ich je hatte«, sagte Maerad. Cadvan lächelte freundlich und ließ ihre Hände los. »Ich muss zugeben, ich sterbe vor Neugier«, gestand er. »Warum hast du dem Ungeheuer vorgesungen ? Wie um alles in der Welt bist du ausgerechnet darauf gekommen?« »Ich konnte es kaum glauben, als mir klar wurde, was du da machst«, warf Owan grinsend ein. »Da stand ich mitten im Tosen des Sturms und kämpfte, um die Eule flott zu halten, und du fängst an, Wiegenlieder zu singen. Ich weiß ja, dass Barden eigenartig sind, aber …« Er schüttelte den Kopf.
    Maerad betrachtete ihre Hände und suchte nach Worten. »Ich weiß nicht, wann ich je mehr Angst hatte«, begann sie schließlich. »Ich glaube, selbst als wir auf den Unhold stießen, war ich nicht so verängstigt wie beim Anblick des Sturmhunds. Und als ich meinen Geist mit deinem vereinte, konnte ich seine ganze Wut spüren. Das Komische war, sobald ich sie fühlte, hatte ich keine Angst mehr.«
    Sie schaute zu Cadvan auf, der ihr mit ernster Miene lauschte. »Als ich ihm in die Augen blickte und er mich ansah, war sofort alles anders. Ich wusste, dass ich ein Ungeheuer vor mir hatte und es uns in kleine Stücke brechen und ertränken wollte. Aber es war ein unschuldiges, ein wildes Geschöpf. Es war nicht wie der Unhold, die Untoten, der Kulag oder der Ondril. In deren Nähe spürt man nur-« Sie setzte ab und schauderte kurz, als sie an diese Begegnungen zurückdachte. »Man spürt nur ihre Bösartigkeit. Sie strotzen vor dem bösartigen Willen, Leben zu zerstören, ich meine, alles, was schön und liebenswert am Leben ist. Aber der Sturmhund war nicht so.«
    » Uns wollte er sehr wohl zerstören«, gab Owan zu bedenken.
    »Ja, ich weiß, aber nicht absichtlich. Wir waren ihm bloß im Weg oder so, und er hätte ebenso gut dazu übergehen können, etwas anderes oder auch gar nichts zu zerstören. Wie ein Sturm.«
    Cadvan nickte nachdenklich.
    »Sobald mir klar wurde, dass er ein unschuldiges Wesen war, fiel mir ein, wie mich meine Mutter vor langer Zeit in den Schlaf gesungen hat, als ich klein war. Das Lied war das Erste, was mir in den Sinn kam. Also fing ich an, es zu singen.«
    »Es ist ein wunderschönes Lied«, meinte Owan verträumt. »Ich hatte es noch nie zuvor gehört.«
    »Jedenfalls hat es gewirkt.« Cadvan bedachte Maerad mit einem unergründlichen Blick. »Ich muss gestehen, zuvor wäre mir nie der Gedanke gekommen, Sturmhunde als unschuldig zu betrachten. Ich denke, diese neue Weisheit muss ich mir eingehender durch den Kopf gehen lassen.« »Naja«, gab Maerad etwas verärgert zurück. »Du hättest ja auch nicht gedacht, dass Enkir der Finsternis angehören könnte.«
    »Nein, das stimmt«, pflichtete er ihr bei. Dann lachte er, und einen Lidschlag lang wich die Düsternis gänzlich aus seinen Zügen. »Anscheinend sind all meine Überzeugungen dazu verdammt, zu Staub zu zerfallen.«
    Eine kurze Pause entstand. »Tja, ich für meinen Teil brauche jetzt ein Frühstück«, verkündete Cadvan. Damit zog er die Luke auf und verschwand den Niedergang hinab.
    Maerad setzte sich aufs Deck, da sie sich plötzlich zu erschöpft fühlte, um sich zu bewegen.

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