Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
überrascht auf, dass er beinah so groß wie Saliman war.
Der Barde erwiderte die Umarmung und hielt ihn fest, dann löste er sich behutsam von ihm. Er streichelte Hem mit dem Handrücken leicht über die Wange.
»Kopf hoch, Hem! Sei guten Mutes, mein Junge.« Er lächelte, und einen Lidschlag lang sprach aus seinen Zügen keine Spur von Traurigkeit. Hem starrte ihn eindringlichan, wollte sich den letzten Anblick des Mannes ins Gedächtnis brennen, den er so sehr liebte. »Noch ist nicht alles verloren, die Hoffnung ist nicht tot. Ich sage dir, Hem, wir sehen einander dereinst durch all diese Schatten wieder.« Hem nickte, wagte jedoch nicht zu sprechen, weil er fürchtete, er würde wieder zu schluchzen beginnen und könnte nicht mehr aufhören. Saliman und Soron wandten sich ab, erklommen die Eisenleiter der Grube und verschwanden auf merkwürdige Weise in den Schatten, als die in den Eingang eingebetteten Zauber begannen, sich um ihre Gestalten zu schmiegen.
Die anderen sollten warten, bis Saliman und Soron das Gebiet verlassen hätten, ehe sie zu ihrer eigenen Mission aufbrachen. Hem setzte sich auf den Boden und verdeckte das Gesicht mit der Kapuze seines Umhangs. Zelika und Hared beschäftigten sich damit, dafür zu sorgen, dass sie alles so ordentlich hinterließen, wie sie es vorgefunden hatten, außerdem überprüften sie noch einmal den eigenen Proviant. Irc pickte rings um Hems Füße auf der Suche nach Essenskrümeln umher, versuchte jedoch nicht, mit dem Jungen zu sprechen. Selbst er spürte, dass Hem in Ruhe gelassen werden wollte. Als die Zeit reif war, schlang Hem sich sein Bündel auf den Rücken und folgte Zelika und Hared die Leiter hinauf und auf die Ebenen hinaus.
Die Glandugir-Hügel
Sie traten den gefährlichsten Teil ihrer Reise an. Berichten zufolge befand sich das Lager der Kindsoldaten mehrere Wegstunden südlich der Grube im Schatten der Glandugir-Hügel, die sich vor ihnen bedrohlich am Horizont abzeichneten und unter dem Schleier des nächtlichen Himmels dunkelpurpurn wirkten.
Durch zunehmend schweren Regen marschierten sie weiter. Hems Sandalen rutschten auf den nassen Grasbüscheln, und Irc kauerte triefend auf der Schulter des Jungen. Zumindest brauchten sie sich bei diesen Bedingungen keine Sorgen wegen der Verstümmeler zu machen, dachte Hem. Allerdings fiel es ihm schwer, mit allen Sinnen wachsam zu bleiben, wenn er völlig durchnässt war und ständig Regen auf ihn einprasselte. Auch bestand keinerlei Aussicht auf selbst eine so bescheidene Zuflucht, wie die Grube sie geboten hatte. Von nun an würden sie unter freiem Himmel lagern und sich auf ihre Magie und Fertigkeiten beim Lagerbau verlassen müssen, um unentdeckt zu bleiben.
Als sie sich den Hügeln näherten, verdichtete sich der Pflanzenwuchs, und sie kamen rascher voran. Das federartige Gras und Buschwerk von Nazar wich größeren Bäumen wilden Mandelbäumen mit bitteren, schwarzen Früchten, verschrumpelten, entstellten Zedern und Hainen knorriger Eichen. Sie stießen auf eine Straße aus festgetretener Erde, die unlängst von Wagen und Füßen in Schlamm verwandelt worden war. Hared hielt eine lange Weile inne und entsandte die Sinne durch den Regen auf der Suche nach Alarmen oder anderen Hexereien, bevor er ihnen gestattete, die Straße zu überqueren.
Hem rüttelte sich geistig wach und besann sich, dass sie sich mittlerweile tief im Gebiet der Schwarzen Armee befanden. Am nächsten Tag würden Zelika und er ohne Hared Weiterreisen und sich ganz auf die eigenen Fähigkeiten verlassen müssen. Hared hatte sie während der gesamten Reise seit den Höhlen von Burat darauf vorbereitet, indem er sie beide abwechselnd vorausschickte, um Anzeichen von Gefahr für die Gruppe auszukundschaften, und sie bei ihrer Rückkehr auf Verbesserungsmöglichkeiten hingewiesen hatte. Dennoch erfüllte der Gedanke daran, ohne Hared als Führer weiterzuziehen, Hem mit einer Besorgnis, die er nicht abzuschütteln vermochte. Hared erinnerte sie ständig daran: Jeder Fehler konnte den Tod verheißen. Es gab keinen Spielraum für Missgeschicke.
Als der Himmel gräulich heller wurde, stießen sie auf einen Hain wilder Mandelbäume am Fuße eines Felsbrockens, dessen Form an ein Schiff erinnerte. Unter den niedrigen Bäumen befand sich ein Gewirr von Dornenbüschen, und sie errichteten ihr Lager innerhalb des Dickichts. Hinter den dichten äußeren Blättern folgte blattloses Gezweig, das ihnen überraschend viel und
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