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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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die Macht aus sich strömen, blieb kalt und leer zurück. Bis zur Morgendämmerung blieben ihm noch ein paar Stunden. Sein Schild hatte gehalten, und er hatte den Wachbann zerlegt. Nun konnte er endlich das Blinde Haus betreten und Zelika holen.
    Rasch vergewisserte er sich, dass keine Untoten in der Nähe waren, dann schlich er auf Zehenspitzen zur Tür. Wie er gehofft hatte, gab es nur einen schlichten Riegel. Aus dem Inneren hörte er Stöhnen und leises Schluchzen. Geräuschlos zog er den Riegel zurück und öffnete die Tür.
    Der Gestank schlug ihm wie eine Faust ins Gesicht. Kurz schrak er vor Abscheu zurück: Die Fäulnis überstieg jede Vorstellungskraft. Es war der Geruch tagelang ununterbrochen in einem luftlosen Raum eingeschlossener Menschen, ein modriges Gemisch menschlichen Drecks, kranker Haut und schalen Schweißes. Hem holte tief Luft, stählte sich und trat ein.
    Zunächst konnte er überhaupt nichtserkennen. Vorsichtig entfachte er ein winziges magisches Licht und schloss die Tür hinter sich. Verwirrtes und furchtsames Gebrabbel erhob sich rings um ihn: Die Kinder im Inneren konnten ihn gewiss nicht sehen und dachten wahrscheinlich, ein Untoter oder ein Ungetüm aus den Hügeln wäre eingetreten. Hem verstärkte das Licht, so weit er es wagte, und blickte sich um.
    Das Blinde Haus konnte nicht mehr als zehn mal zehn Schritte messen, dennoch enthielt es rund dreißig Kinder. Ihre Gesichter waren ausgemergelt und ausdruckslos, durch ihre Lumpen zeichneten sich die Rippen ab. Ein paar lagen unnatürlich still; andere drehten sich teilnahmslos um, die Augen bar jeglicher Gefühle; wieder andere, deren Gesichter Wahnsinn zu Fratzen verzerrte, schnatterten und kratzten und bemerkten Hem überhaupt nicht. Etwa ein Dutzend Kinder starrte verängstigt auf Hems magischesLicht, dessen Schimmer sich in ihren Augen widerspiegelte. Von plötzlicher Panik erfasst, zerknirscht vor Verwirrung, Abscheu und Mitleid, verfinsterte sich Hems Miene. In ihrem Elend sahen sie alle gleich aus.
    Er schüttelte sich, um sich aus seiner Benommenheit zu lösen, und suchte nach Zelika. Es würde nicht lange dauern, bis jemand bemerkte, dass der Wachbann verschwunden war; seine Zeit war äußerst begrenzt. Planvoll bewegte er sich durch den Raum, hielt das magische Licht an das Gesicht jedes Kindes. Wenn ein Kind sich wimmernd zu verstecken versuchte, zwang er es, den Kopf herumzudrehen, damit er es sehen konnte. Furcht und Hast ließen ihn grob werden, und er verschloss die Ohren gegen die Schreie, die rings um ihn aufbrandeten.
    Zelika war nicht da.
    Hem konnte es nicht glauben. Vermutlich hatte er sie in seiner Eile übersehen. Er rang seine Anspannung zurück und wiederholte den Vorgang, hielt das magische Licht abermals an jedes Gesicht und schob jedes Kind beiseite, sobald er sicher war,dass es sich nicht um Zelika handelte. Die Kinder begannen, in Panik auszubrechen, wildes Geheul und Geschrei hallte in die Nacht. Mitleid erregend pressten sie sich gegen die Wände oder den Boden, als könnten sie ein Loch graben und diesem Gespenst entfliehen, das sie nicht sehen konnten, das sie mit Geisterfingern packte und beiseite stieß.
    Plötzlich spürte er gleich einem Schock auf der Haut, wie ein ferner Wachbann seinen Alarm anschlug, gefolgt von einem weiteren. Er war entdeckt. Immer noch sah er verzweifelt die Kinder durch, suchte nach Zelikas geliebtem Antlitz. Sie musste doch dort sein, sie musste … Die Kinder jammerten, heulten und kreischten, klangen in ihrem Grauen kaum menschlich. Selbst durch den Lärm hörte Hem sich nähernde Schritte und spürte die frostige Gegenwart von Untoten. Hem ließ das magische Licht ein paar Lidschläge lang heller aufleuchten und ließ den Blick wild über die zusammengekauerten, völlig verängstigten Kinder wandern. Zelika befand sich nicht unter ihnen. Und bald würde er selbst im Blinden Haus gefangen sein. Hem stieß die Tür auf und huschte hinaus. In dem Augenblick, als er die Schwelle überquerte, griff ein Untoter nach ihm, der seine Gegenwart selbst durch den Glimmerschleier hinweg wahrnahm. Hem wich den knochigen Händen aus, vollführte einen hastigen Schwenk, um einem weiteren Untoten zu entgehen, und rannte um sein Leben. Überall wimmelte es vor Untoten und Hundsoldaten, die auf das Blinde Haus zuliefen. Hem schlüpfte in die Dunkelheit zwischen zwei Hütten und duckte sich: Er befand sich in der Nähe der Gärten, wo er über den Zaun klettern könnte. Er könnte

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