Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
die Erfolgsaussichten mit tausend Bluthunden und der Spinne auf den Fersen gefielen ihm nicht. Krampfhaft versuchte er, seiner Panik Herr zu werden und richtete die Aufmerksamkeitauf die Worte der Spinne. »Bevor wir nach Dagra aufbrechen, werden wir uns dieses verkommenen Abschaums annehmen«, sprach der Untote. »Bringt den Verräter herbei!«
Hem spannte die Muskeln, um zu flüchten, da er erwartete, gefasst zu werden; doch dann sah er, dass eine gefesselte Gestalt auf das Ausbildungsgelände geschleift wurde. Mit überwältigendem Erstaunen erkannte er, dass es sich um einen Untoten handelte. Die Bluthunde zeigten sich ebenso verdutzt wie er. Das blutrünstige Knurren, das sich erhoben hatte, als die Spinne die Entdeckung des Spitzels verkündete, erstarb zu Totenstille. An jenem Tag würde es keinen Kötertod geben: Untote konnten mit gewöhnlichen Mitteln nicht getötet werden.
Wenn es ein Untoter war, konnte es kein Sündenbock sein, dachte Hem hastig. Es musste sich um einen echten Spitzel handeln. Einer von Hareds Verbündeten? Mit offenem Mund beobachtete er, wie der Untote vor der Spinne auf die Knie geworfen wurde. Die Gestalt verharrte reglos, der Kopf von ihrem schwarzen Mantel verhüllt. Mit einer verächtlichen Geste riss die Spinne den Mantel hinfort. Hem erkannte den Untoten, den er in der ersten Nacht gesehen hatte, das Trugbannbild einer wunderschönen Frau. Dann folgte ein Japsen von den Bluthunden, und Hem wusste, dass der Trugbann zerstört worden war. Zum ersten Mal sahen die Bluthunde das wahre Grauen eines Untoten.
»Seht ihr, woraus Verräter bestehen, meine kleinen Köter?«, fragte der Untote mit einem Anflug von Verbitterung in der Stimme. »Trockene Haut und trockene Knochen, sonst nichts. Ja, selbst wenn sie leben, sind sie tot. Diese Verräterin steht im Sold eines anderen Meisters. Während unser Herr die ruhmreiche Hand zur Eroberung ausstreckt, schmiedet sie Ränke, um unsere Macht für sich zu nutzen und sie uns zu entreißen. Sie spitzelt für Imank, den SchwarzenHauptmann, der wieder einmal seine Treulosigkeit unter Beweis stellt. Und das kann nicht geduldet werden!«
Die letzten Worte schwollen zu einem schrillen Schrei an, der Hems Ohren versengte und ihn vor Schmerz zusammenzucken ließ. Doch zugleich war Hem verwirrt:Was meinte die Spinne damit? Wieso sprach der Untote von Verrat? Er schien überhaupt nicht vom Licht zu reden.
»Ich wiederhole, das kann nicht geduldet werden! Und so wird diese Verräterin hier in den Abgrund gestoßen, wo ihre verkommene Seele auf das Urteil eines grausameren Meisters als dem unseren warten wird. Und sie wird nie zurückkehren!« Zum ersten Mal bewegte sich der kniende Untote. Er schrak zurück und verdeckte die Augen. Trotz allem verspürte Hem einen Anflug von Mitgefühl. Jene unscheinbare Geste war so menschlich - der vergebliche Versuch, die Augen vor einem entsetzlichen Schicksal zu verschließen. Die Spinne hob die Hände, dann folgten ein im trüben Tageslicht unerträglich greller Lichtblitz und ein grauenhaftes Kreischen, das inHems Mark widerhallte. Halb geblendet blinzelte er. Als sich das Nachflimmern auf seiner Netzhaut legte, sah er, dass sich vor der Spinne nichts mehr befand, das an eine menschliche Gestalt erinnerte, nur noch ein Haufen trockener Knochen, auf den sich der schwarze Mantel senkte.
»Alle Verräter hier, ob hochwohlgeboren oder Köter, werden dasselbe Los erleiden«, mahnte die Spinne leise. »Vergesst das nicht, meine kleinen Insekten. Wir haben viele Feinde, und wir werden sie alle in die Grube endloser Qualen schleudern.« Der Untote spuckte inbrünstig auf den Knochenhaufen, drehte sich um, zog den Mantel um sich und kehrte mit raschen Schritten zur Ersten Hütte zurück.
Zittrig begab sich Hem mit den anderen Bluthunden, die wie ruhiggestellt wirkten, zu Blut-Block Zwei. Also hatten die Untoten gar nicht nach ihm, sondern nach einem anderen Spitzel gesucht. Die Worte der Spinne verwirrten ihnnoch immer. Hatte das Licht noch andere Verbündete, von denen Hem nichts wusste?
Dann fiel ihm plötzlich eine Unterhaltung in Nal-Ak-Burat ein, bei der es um die wachsenden Spannungen zwischen Imank, den Hauptmann, der die Schwarze Armee gegenTurbansk angeführt hatte, und dem Namenlosen ging. Sharma verdankt Imank viel, und ich bezweifle, dass Imank zögern würde, ihn daran zu erinnern, hatte der Barde aus Den Raven, Til-Naga, gesagt. £5 ist möglich, dass Sharma Imank mehr fürchtet als jeden anderen
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