Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
sich langsam zurück zum Bardenhaus.
Sobald er die Tür öffnete, wusste er, dass Saliman zurückgekehrt war: Sein Mantel lag auf der Bank neben dem Eingang, seine Sandalen standen darunter. Hem starrte auf die Gegenstände und wagte kaum zu glauben, dass sie tatsächlich da waren, doch er hätte Salimans Schuhe überall erkannt. Er spürte, wie er zu zittern begann und ihm der Schweiß ausbrach; erst in diesem Augenblick wurde ihm klar, wie sehr er gefürchtet hatte, dass Saliman tot sein könnte. All die Last hob sich von seiner Brust: Sein Herz fühlte sich plötzlich wie beflügelt, stieg vor Glück empor. Er vergaß alles andere, rannte durch das Haus und rief Salimans Namen; doch Saliman war nicht da. »Wahrscheinlich ist er in den Ernan gegangen oder so«, meinte Zelika, als Hem niedergeschlagen von seiner Suche durch das Haus zurückkehrte. »Ich bin hungrig, lass uns essen. Ich vermute, wir sehen ihn heute Abend.«
Oslar hatte Hem aufgetragen, sich an jenem Nachmittag auszuruhen, deshalb kehrte Zelika alleine zum Kräuterkundler zurück. Aber auch Hem brach bald wieder zu den Heilhäusern auf, weil er die Anspannung nicht ertragen konnte, die damit einherging, im leeren Bardenhaus zu warten. Hem spürte, dass etwas geschehen war: Ein Knistern lag in der Luft, und das Gefühl zögernden Ausharrens war jenem geschäftigen Treibens gewichen. Fast jeder, den er auf den Straßen sah, trug eine Rüstung, und kleine Menschengruppen unterhielten sich mit gedämpften Stimmen in den Gassen und warfen Seitenblicke auf Hem, als er an ihnen vorbeieilte. Es war ein heißer, windiger Tag. Staub wirbelte Hem ins Gesicht, trocknete ihm den Mund aus, und der Wind heulte leise, während er durch die Straßen fegte. War es überhaupt der Wind? Hem schärfte sein Gehör - und vernahm ein fernes Geräusch, das sein Herz heftig in der Brust pochen ließ. Es hörte sich nicht wie der Wind, sondern wie etwas gänzlich anderes an, wenngleich es zu leise war, um wirklich zu bestimmen, worum es sich handelte.
Den Nachmittag über half er dabei,Menschen auf Bahren zu heben, mit denen sie zum Hafen gebracht wurden. In den Heilhäusern gebarten die Barden sich ruhig und geduldig wie immer, ganz gleich, um welchen Notfall sie sich gerade kümmerten, und so legte sich bei der Arbeit die Anspannung, die sich den ganzen Tag lang in Hem aufgebaut hatte. Doch dann erblickte Oslar ihn und schickte ihn wieder nach Hause, wobei er sich diesmal jeden Ungehorsam verbat; so fand Hem sich alsbald erneut tatenlos im Bardenhaus wieder und zuckte bei jedem Geräusch zusammen, das er auf der Straße hörte. Zelika kam nach Hause, als die Schatten allmählich länger wurden, doch es gab immer noch kein Zeichen von Saliman.
Die Kinder warteten in ihren Kammern. Der heiße Wind hatte sich gelegt, deshalb öffneten sie die Türen zum Garten und beobachteten, wie draußen langsam das Licht schwand. Dieses starre, ungewisse Warten erinnerte Hem an etwas; er suchte in seinem Gedächtnis und versuchte, es einzuordnen. Ah, ja: Es fühlte sich wie damals an, als er, Maerad, Cadvan und Saliman in Nelacs Gemächern in Norloch ausgeharrt hatten, während es draußen dunkler wurde. Damals hatten sie gewusst, dass etwasgeschehen war, aber nicht, was … Die Erinnerung spendete ihm einen Hauch Trost. Irc befand sich im Garten und zeichnete sich als silbriger Schimmer in den Schatten unter den Bäumen ab. Es klang, als schnatterte er mit den Meenah-Vögeln, mit denen er eine lose Beziehung unterhielt. Hem spielte kurz mit dem Gedanken, ihn zu rufen, unterließ es jedoch. Irc war den ganzen Tag so beschäftigt wie Hem gewesen und verdiente ein wenig Zeit zum Müßiggang.
Endlich hörten sie, wie die Außentür sich öffnete und schloss, dann Schritte vor dem Zimmer. Hem musste an sich halten, um nicht aufzuspringen, doch er wollte lieber warten, bis der Neuankömmling den Raum betrat, falls es sich um einen weiteren falschen Alarm handelte - doch es war tatsächlich Saliman. Der Barde kam langsam ins Zimmer und hielt inne, als er die wartenden Kinder erblickte. Er begrüßte sie mit sanfter Stimme, umarmte sie beide, schenkte sich einen Kelch Wasser ein und trank ausgiebig, bevor er sich setzte. Sie beobachteten ihn schweigend, zügelten ihre Fragen. Hem bestürzte die Erschöpfung, die Saliman ins Gesicht geschrieben stand: Von der Nasezu den Mundwinkeln zogen sich Furchen, und erwirkte insgesamt gealtert. »Geht es dir gut?«, fragte Hem. Er fühlte sich nervös;
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