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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Saliman schloss die Augen und sagte ein paar Worte in der Hohen Sprache. Er rief Hems Namen erst einmal, dann erneut; beim zweiten Mal klang es, als spräche er aus weiter Ferne. Das Licht wurde noch greller, und Saliman neigte das Haupt, als unternähme er eine gewaltige Anstrengung. Zelika, außerstande, den Blick abzuwenden, spürte wie ihr Tränender Überwältigung über die Wangen rannen. Dann begann das Licht so langsam zu verblassen, wie es ursprünglich aufgeleuchtet hatte.
    Saliman schaute auf; sein Gesicht wies die Farbe nasser Asche auf. Zelika wagte nicht, dem Barden Fragen zu stellen, obwohl sie ihr auf den Lippen brannten. Er begegnete ihrem Blick und lächelte müde.
    »Es ist eine üble Krankheit«, verkündete er. »Aber ich habe sie aus seinem Blut getrieben und ihn aus den Gefilden der Finsternis zurückgerufen.« Er holte tief Luft. »Igitt! Ich kann sie noch an den Zähnen schmecken. Zelika, ich muss jetzt gehen. Andere Aufgaben harren meiner Aufmerksamkeit. Wache über Hem und gib mir Bescheid, wenn er aufwacht oder etwas anderes tut, als friedlich zu schlafen.« Zelika nickte inbrünstig, die Augen auf Hem geheftet. Seine Farbe wirkte gesünder; zuvor hatte sie an jene gebleichten Pergaments erinnert. Saliman ging, und Zelika setzte sich ans Bett, kaute auf der Unterlippe und hielt Hems Hand, während der späte Nachmittag erst ins Zwielicht, dann in die Nacht überging.
    Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erfolgte ein weiterer Angriff der Totenkrähen. Diesmal empfand Zelika ihn als weniger Furcht einflößend, weil sie sich drinnen befand. Mit nüchterner Neugier beobachtete sie, wie die Vögel draußen vom Himmel fielen. Weshalb war es ihnen einerlei, dass sie sich selbst umbrachten? Das schien äußerst seltsam. Einige versuchten, sich durch das Metallgitter vor dem Fenster zu zwängen, doch die Löcher erwiesen sich als zu klein. Einigen wenigen gelanges, die Köpfe hereinzustecken, aber sie brachen sich dabei das Genick. Als der Angriff endete, stand Zelika auf und stieß die Kadaver mit einem Stock aus dem Gitter. Danach nahm sie wieder neben Hem Platz.
    Mittlerweile war die Nacht angebrochen. Im Palast herrschte völlige Stille, auch in den Gärten zwitscherten keine Vögel. Zelika summte vor sich hin, um sich die Zeit zu vertreiben und die Stille aufzulockern: Teile der langen Epen Suderains, Kinderreime, Volkslieder. Nach einer Weile kam Irc zu ihr und zupfte sie an den Haaren. Sie vermutete, er wollte etwas zu essen.
    »Ich habe nichts, was ich dir geben kann«, sagte sie ungeduldig. »Geh und such Saliman!«Irc beäugte sie mit schief gelegtem Kopf und pickte sie behutsam in die Hand.
    »Ach, du dummes Tier! Ich habe nichts!«
    Wenngleich Irc ihren Worten nicht folgen konnte, verstand er den Tonfall. Er krächzte scharf und zwackte sie erneut, heftiger-aus Rache, wie sie glaubte. Dann flatterte er träge aus dem Raum. Zelika blieb sich selbst überlassen. Vom langen Stillsitzen fühlte sie sich allmählich wund an; sie rutschte hin und her und streckte sich, um die Steifigkeit zu vertreiben, dann gähnte sie. Zelika fühlte sich müder, als sie gedacht hätte. Als sie die Augen schließlich nicht mehr offen halten konnte, kroch sie auf das riesige, weiche Bett, rollte sich neben Hem zusammen und schlief ein. Irc kam wenig später zurück in das Zimmer geflogen, landete auf dem Kissen neben Hem und stupste behutsam sein Gesicht. Als der Junge nicht erwachte,begab Irc sich auf seinen Platz auf der Stuhllehne, steckte den Kopf unter die Schwinge und schlief ebenfalls. Draußen pulsierten durch die Dunkelheit die Trommeln wie ein Fieber durch Blut. Bei den Bogenschützen auf den Stadtmauern erfolgte die Wachablösung. Die Wächter im Roten Turm starrten durch die Sternengläser auf die dunklen Linien, die das Meer und den Himmel voneinander trennten, hielten ohne Unterlass Ausschau nach bedrohlichen, schwarzen Segeln. Feuer züngelten und breiteten sich im von Schatten gezeichneten Gau von Turbansk aus. Die zwei Kinder jedoch schliefen so tief und fest, als hätten sie noch nie vom Krieg gehört.
    Hem träumte von Vögeln.
    Er war eine der Totenkrähen und hatte drei Flügel - einer wuchs ihm aus der Brust. Während er flog, fielen ihm schwarze Federn von der Haut ab. Wenn ich noch mehr verliere, kann ich nicht mehr fliegenund falle vom Himmel, dachte er, jedoch ohne Furcht. Vielmehr erschien es ihm als Gnade, auf dem Boden zu liegen, eingehüllt in Dunkelheit und Stille. Dann war er

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