Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
plötzlich wieder Hem, doch er saß mit Irc auf der Schulter auf einem weißen Ast eines hohen Baumes. Im Geäst drängten sich hunderte und aber-hunderte Vögel aller Art - Raubvögel und ihre Beute hockten nebeneinander, Adler neben Fink, Bussard neben Bienenfresser, Turmfalke neben Zaunkönig. Falken, Grasmücken, Bülbüls, Reiher, Krähen, Geier, Lerchen, Rotkehlchen, Ibisse, Enten und lange Reihen weiterer Vögel und Arten flogen durch einen blauen Sommerhimmel aus dem Herzen einer weißen strahlenden Sonne auf den Baum zu.
Große Freude nistete sich in Hems Brust ein. Er wusste, was zu tun war … Im ersten Licht der Morgendämmerung öffnete er die Augen. Er setzte sich im Bett auf undsah sich verwundert in dem prunkvollen Raum um: Hem konnte sich nicht erinnern, wie er hierher gelangt war. Das Letzte, was er noch wusste, war, dass er in Salimans Bardenhaus zusammengebrochen war.
Irc hockte auf einem Stuhl in der Nähe und musterte ihn mit hungrigem Blick. Zelika schlief tief und fest mit den Händen unter der Wange. Das Haar war ihr über das Gesicht gefallen. Hem hatte sie noch nie schlafend gesehen; so wirkte sie viel jünger. Leise,um sie nicht zu wecken, schlüpfte er aus dem Bett. Erst da erkannte er, dass er ein Nachthemd trug. Wo seine Kleider sich befanden, wusste er nicht. Und er war am Verhungern.
Ich bin hungrig, sagte Irc und flatterte auf Hems Schulter, doch der Junge stieß ihn weg, weil die Krallen des Vogels auf der Haut kratzten.
Ich weiß nicht, wo es hier etwas zu essen gibt, gab Hem zurück. Vor Ungeduld hüpfte er beinah auf und ab. Ich habe eine Idee, Irc. Wo ist Saliman ?
Noch während er sprach, betrat Saliman den Raum. Als er Hem erblickte, erstarrte er jäh.
»Warum liegst du nicht im Bett?«, fragte er.
»Ich bin am Verhungern«, antwortete Hem. »Wo sind meine Kleider? Und Saliman, ich habe eine Idee - wegen der Totenkrähen.«
»Hem, letzten Sonnenuntergang fürchtete ich noch, du könntest die Nacht nicht überleben. Ich bezweifle, dass du schon aufstehen solltest.«
Hem wirkte überrascht. »Ich fühle mich besser als je zuvor!«, begehrte er auf. »Nein, hör mir zu, Saliman, es ist wichtig - Ich hatte einen Traum; dann erwachte ich und dachte: Wo sind die Vögel von Turbansk? Können sie uns nicht helfen, gegen die Totenkrähen zu kämpfen,?«
Vor Aufregung schwoll Hems Stimme an, sodass er Zelika weckte, die sich herumdrehte, aufsetzte und sich die Augen rieb.
»Ich bin sicher, die Vögel würden uns helfen. Sie mussten sich alle verstecken. Wo sind sie? Könnten sie uns nicht helfen? Es gibt mindestens so viele von ihnen wie von den Totenkrähen … «
»Wovon redest du, Hem?«, fragte Zelika.
»Selbst wenn die Vögel uns helfen könnten«, gab Saliman zu bedenken, »bleibt keine Zeit, sie zu scharen. Imank unternimmt bereits seinen ersten Zug. Die Schwarze Flotte bedroht uns wie befürchtet, und die Streitkräfte von Den Raven rückten mittlerweile gegen die Stadtmauern vor. Viele Menschen sind an der Seuche erkrankt, die von den Totenkrähen gebracht wurde; die Heiler haben alle Hände voll zu tun … « »Ich habe Zeit!«
Zelika kletterte aus dem Bett und stellte sich neben Hem. »Ich halte das für eine gute Idee«, sagte sie. »Und da Ihr mich ja nicht kämpfen lassen wollt, könnte ich so auch noch helfen. Ihr habt mir eine Rüstung versprochen«, erinnerte sie ihn vorwurfsvoll, »aber ich habe keine bekommen.«
»Du kannst nicht mit Vögeln sprechen«, warf Hem etwas herablassend ein. Zelika schleuderte ihm einen missfälligen Blick zu. »Na und? Ich könnte trotzdem helfen. Und es würde etwas bewirken, oder?
Es sei denn, du denkst, die Totenkrähen wären allesamt tot. Bestimmt sind sie den Bogenschützen im Weg, oder? Wie sollen die Menschen die Stadt verteidigen, wenn diese schrecklichen Krähen auf ihre Köpfe herabstoßen? Es ist wirklich eine gute Idee.« »Was gibt es dabei schon zu verlieren?«, ergänzte Hem.
Beide Kinder starrten Saliman mit leuchtenden Augen an.
Saliman hob die Hände, um sie zum Schweigen zu bringen. »Na schön, na schön! Ja, du hast Recht, Zelika. Die Totenkrähen behindern uns tatsächlich, und könnten wir ihre Angriffe unterbinden, würde uns das erheblich helfen. Aber zuerst lässt du dich von mir untersuchen, Hem. Ich kann nicht glauben, dass du dich so rasch erholt hast.« Widerwillig nahm Hem auf dem Bett Platz, während Saliman seine Stirn befühlte, seinen Puls maß und seine Pupillen überprüfte. Als er
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