Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
bestürzt.
Mindestens so viele, wie wir getötet haben, antwortete der Pelikan. Aber wir sind zahlreicher.
Werdet ihr auch gegen sie kämpfen ?, wollte Hem wissen.
Ara-kin spreizte unvermittelt die Schwingen, und Hem wich unwillkürlich zurück; die Flügelspanne des Vogels musste über zwei Spannen messen. Wir werden gegen sie kämpfen, bekräftigte der Pelikan. Zwar fürchten wir uns vor den schwarzen Zauberern, trotzdem werden wir gegen sie kämpfen, und wir werden gewinnen. Eure Feinde sind äußerst mächtig: Ich glaube nicht, dass ihr sie alle töten könnt.
Vielleicht nicht, räumte Hem ein. Aber wir müssen es wenigstens versuchen. Ara-kin drehte den Kopf und heftete ein gelbes Auge auf Hem. Dann kämpft tapfer, wie wir es tun. Lebewohl, Weiße Krähe. Schick deinen Boten, wenn du dich mit uns verständigen willst. Irc krächzte zustimmend, und der Pelikan erhob sich von der Brüstung in die Luft.
Hem schaute ihm nach, bis er nur noch ein winziger Punkt am Himmel war, dann wandte er sich um und stellte fest, dass alle Soldaten vorübergehend von ihren Aufgaben abgelassen hatten und ihn unverhohlen staunend anstarrten. »Also, was hat Ara-kin gesagt?«, verlangte Zelika zu erfahren.
»Er sagte, dass es noch mehr Totenkrähen gibt. Die Vögel von Turbansk beobachten sie und werden sie so wie die anderen vernichten«, gab Hem zurück.
»Beim Licht, ist dir das eingefallen?«, fragte der Soldat namens Inurdar. Hem errötete und blickte zu Boden. »Es war bloß ein Gedanke, der mir in einem Traum kam«, gab er zurück.
»Lios Hlaf ‘ ist nicht der richtige Name für dich«, meinte ein anderer Wächter. »Du solltest Kaiser der Schwingen getauft werden. General der Vögel!« Die anderen Soldaten lachten, doch in ihrem Gelächter schwang kein Hohn, sondern verblüffte Bewunderung mit.
Hem wusste nicht recht, wie er sich angesichts dessen verhalten sollte und fühlte sich mit einem Mal sehr müde. Er hatte genug davon, Schlachten zu beobachten.
»Ich bin hungrig«, sagte er zu Zelika. »Und ich möchte herausfinden, ob es Saliman gut geht.«
»Dann lass uns zum Ernan zurückkehren«, schlug sie vor. »Es ist zwar noch früh, aber ich weiß, wo die Küchen sind.«
»Esst, solange ihr könnt«, riet Inurdar. »Das sind nur die ersten Geplänkel. Die wahre Schlacht steht uns noch bevor.«
Belagerung
Hem fand es seltsam, wie rasch man sich an etwas gewöhnen konnte. Nach nur eine m Tag war die Belagerung durch die Schwarze Armee fast nichts Außergewöhnliches mehr, nach zwei Tagen ein Bestandteil des täglichen Lebens. Die Menschen aßen, scherzten, machten Musik und zogen los, um ihre Stadt zu verteidigen. Die meisten kehrten zurück, manche nicht. Es gab keine beiläufigen Abschiede mehr: Jedes Lebewohl, ganz gleich wie unscheinbar, konnte das letzte sein. Jeder konnte jederzeit vom Unglück ereilt werden. Dieser Umstand verlieh dem Leben eine neue, spürbare Eindringlichkeit. Wenngleich es niemand aussprach, fühlte Turbansk sich wie eine dem Untergang geweihte Stadt, und vor der Dunkelheit dieses Schicksals schien ihre Schönheit mit ergreifender Deutlichkeit zu schimmern.
Nur an den Abenden, wenn gemäß allgemeiner Absprache Spielmänner und Barden in ganz Turbansk ihre Instrumente auspackten und für jene, die gerade nicht die Mauern bewachten, die wundervollen Epen von Suderain sangen, ließ man das Wissen um das Los der Stadt an die Oberfläche dringen; die restliche Zeit fühlte es sich zu hart an, um sich ihm zu stellen. Obwohl Hem nicht in Turbansk geboren war, spürte er, wie auch ihm jene seltsame Mischung aus Furcht und Liebe ins Markdrang.
Imanks Armee war es noch nicht gelungen, die Stadtmauern zu durchbrechen. Ihre Belagerungstürme wurden durch Magie und Geschosse zurückgedrängt, und die Rammen, die auf das Westtor abzielten, hatten dessen Verteidigung noch nicht über- wunden. Doch wie am Il-Dara-Wall wogten regelmäßige Angriffswellen gegen die Mauern von Turbansk, Tag und Nacht. Wenngleich sie abgewehrt wurden und die Schwarze Armee dabei größere Verluste davontrug als die Verteidiger, waren die Streitkräfte von Turbansk so hoffnungslos in der Unterzahl, dass sie jeder einzelne Gefallene zehn Mal mehr schmerzte als den Feind. Turbansk wurde nach und nach aufgerieben, und die Zeit stand auf der Seite des Gegners. Die feindliche Flotte hielt sich immer noch abseits des Hafens im Lamarsan-Meer und unternahm kleinere Angriffe wie jenen, den Hem beobachtet hatte jedoch keine
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