Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
an. »Verzeih die Zwanglosigkeit; dies ist die einzige Freizeit, die ich habe.«
Hem starrte Har-Ytan an und stellte zu seiner Bestürzung fest, dass seine Kiefer mit Draht vernäht zu sein schienen. Zelika bedachte ihn mit einem Seitenblick, der etwas verächtlich auf ihn wirkte.
»Wir sind uns der Ehre bewusst, die Ihr uns erweist, Fürstin«, ergriff Saliman das Wort. »Ihr habt Cai von Pellinor ja bereits kennen gelernt.« Hem neigte das Haupt, die Züge vor Scham leuchtend rot. »Das ist Zelika aus dem Haus II Aran aus Baladh.« »Das Haus II Aran?« Har-Ytan richtete den Blick unmittelbar auf Zelika, die ihm ungerührt begegnete.
»Ich bin alles, was von jenem Haus noch übrig ist, Quell des Lichts«, sagte sie. »Mein Schwert gehört Euch, bis ich sterbe.« Damit kniete sie anmutig nieder, und Har-Ytan berührte ihren Kopf.
»Steh auf, Zelika aus dem Haus II Aran, und vergiss für diesen kurzen Augenblick deinen Kummer«, forderte die Ernani sie auf. »So jung du noch sein magst, ich sehe schon, dass du beileibe nicht die Unbedeutendste deines edlen Hauses bist. Kommt, wir haben Obst, Leckereien und süße Weine.«
Hem schaute neugierig zu Zelika, als sie sich zu den Sofas begaben. Aus der Sicherheit ihrer Bewegungen schloss er, dass sie -im Gegensatz zu ihm - durchaus wusste, wie man sich unter solchen Umständen zu verhalten hatte. Er selbst fühlte sich steif und linkisch wie eine Marionette.
Auf einem der Sofas lehnte ein äußerst gut aussehender Mann, der beträchtlich jünger als die Ernani war und sich als ihr Konsorte herausstellte. Hem erkannte außerdem den Hauptmann der Sonnengarde, II Hanedr, und Juriken, den Obersten Barden von Turbansk. Zu seiner Verwirrung erblickte er zudem Alimbar el Nad, Har-Ytans Konsul, dessen Garten er vor einigen Wochen geplündert hatte, in einem anderen Leben, wie es schien. Alimbar bedachte ihn mit einem verkniffenen, argwöhnischen Blick, als er ihm zum Gruß zunickte. Neben den Weinen und den Leckereien sah Hem Landkarten und Berichte auf dem großen Tisch ausgebreitet; man hatte sich unverkennbar gerade über die Belagerung unterhalten.
»Also sollen Kinder uns den Weg weisen?«, sagte Juriken und trat vor, um Hem die Hand zu schütteln. »Ich muss gestehen, ich habe Saliman gegenüber Bedenken geäußert, als er mir seine Entscheidung mitteilte, dich in Turbansk bleiben zu lassen. Aber er hat uns bereits eines Besseren belehrt!« Juriken tauschte ein freundliches Lächeln mit Saliman, dann blickte er wieder auf Hem hinab.
Jurikens Haar war weiß und kurz geschoren, sein Gesicht vor Alter zerfurcht, dochaus den Augen, die Hem betrachteten, sprach jugendliches Lachen ohne jeglichen Argwohn. Hem schluckte und spähte unwillkürlich zu Alimbar. Der Mann hatte eine sauertöpfische Miene aufgesetzt, als würde er gezwungen, nett zu einem Haufen Dung zu sein, was Hem vorübergehend erzürnte. Dies wiederum hatte die Wirkung, ihm die Zunge zu lösen.
»Ich habe eigentlich gar nichts gemacht«, sagte er. »Es waren die Vögel von Turbansk. Sie haben die Totenkrähen geschlagen, nicht ich.«
»Es heißt, die größten Helden sind die bescheidensten«, meldete Mundar sich träge vom Sofa zu Wort. »Dieser Bursche muss der größte von allen sein. Er vermag kaum, über seine Taten zu sprechen.« Höhnisch starrte er Hem an.
Bevor Hem etwas erwidern konnte, sprach Har-Ytan: »So seltsam ist das nicht. Ein Großteil der Vertreter der menschlichen Rasse ist bescheidener, als du es bist, Mundar.« Mundar entging nicht die Schärfe, die in ihrer Stimme mitschwang, und unwillkürlich errötete er. Nach einem spöttischen Blick auf Hem wandte er sich geziert ab. »Also, Cai von Pellinor«, fuhr sie fort. »In der Stadt nennt man dich wegen deines Haustiers Lios Hlaf, die Weiße Krähe. Ist das der Name, den du bevorzugst?«
»Fürstin«, erwiderte Hem, »mein richtiger Name ist Hem. Und Irc ist nicht mein Haustier, sondern mein Freund.«
Har-Ytan lächelte, und Hems Eingeweide, die sich vor Panik jäh verkrampft hatten, weil er die Ernani so rüde berichtigt hatte, entspannten sich. »Hem«, sagte sie. »Das ist ein seltsamer Name. Nicht aus Annaren, oder?« Sie reichte ihm einen der Silberbecher, gefüllt mit einer goldenen Flüssigkeit. Hem nippte unruhig daran und spürte, wie das geistige Nass ihm einen Schauder durch den Körper jagte, der bis in seine Zehenspitzen reichte, doch zu seiner unendlichen Erleichterung musste er nicht prusten. »Nein, Fürstin«,
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