Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
vormachen, Hem. Das Gehen fällt mir schwer. Es ist, als hätte mir jemand geschmolzenes Blei in die Gelenke gegossen. Und meine Beine fühlen sich an, als bestünden sie aus Stein.«
»Wenn es zu beschwerlich wird, solltest du in die Schubkarre steigen.« Saliman schwieg eine Weile. »Ich erinnere mich noch heute daran, dass ich als Kind einmal eine alte Frau sah, die ein Schwein in einer Schubkarre vor sich herschob«, sagte er schließlich. »Das Schwein saß aufrecht und sah sich um, als wäre es eine feine Dame in einer Sänfte. Es war einer der lustigsten Anblicke, die ich je gesehen habe, und ich konnte stundenlang nicht aufhören zu lachen.« »Du siehst nicht aus wie ein Schwein«, gab Hem zurück und versuchte ein Lächeln. »Nein, nicht wie ein Schwein. Trotzdem muss ich gestehen, dass es an meinem Stolz kratzt, in einer Schubkarre befördert zu werden.«
»Es ist niemand hier, der dich sehen könnte«, sagte Hem.
»Darum geht es nicht.« Saliman seufzte. »Nun, setzen wir uns in Bewegung. Der See am Fuß des Hügels wird nicht kleiner, während wir hier herumstehen und reden.«
Der Weg bergab war einfacher, obwohl sie gegen den Wind angingen. Als sie das unruhige Wasser unten erreichten, betrachtete Hem es unbehaglich. Es war braun vor Schlamm, weshalb er den Grund nicht erkennen konnte und somit keine Möglichkeit hatte, abzuschätzen, wie tiefes war. Wäre es zu tief, würde er Schwierigkeiten mit der Schubkarre haben, und er und Saliman würden völlig durchnässt enden. Er sah sich nach einem langen Stock um und stocherte damit im Wasser vor ihm herum, doch die Strömung riss ihn ihm aus den Händen. Hem packte einen Ast, riss die Zweige davon ab, um einen weiteren Stock anzufertigen, und versuchte es erneut.
Das Wasser erwies sich als nicht besonders tief; es würde ihnen wohl nur bis über die Knie reichen. Allerdings war die Strömung sehr stark, und er konnte regelrecht zusehen, wie das Wasser anstieg.
»Ein Haltebann würde wahrscheinlich genügen«, meinte Saliman hinter ihm. »Aber wir werden uns vortasten müssen. Es tut mir leid, Hem, ich kann dir bei dem Bann nicht helfen …«
»Ich werde dich berühren müssen, damit er wirkt«, sagte der Junge. »Mach dir um mich keine Gedanken - ich halte mich an der Schubkarre fest«, erwiderte Saliman. »Ich will nicht, dass du mich berührst, Hem.«
Der Junge versteifte sich nicht darauf. Diesen Punkt konnten sie später noch klären; er konnte Saliman nicht heilen, wenn er ihn nicht berühren durfte. Vorerst wob er einen starken Haltebann, holte tief Luft und rollte die Schubkarre an einer Stelle ins Wasser, die einen seichten Eindruck machte. Stumm betete er, das Wasser möge nicht über die Seiten schwappen. Langsam und qualvoll bahnten sie sich einen Weg durch die Strömung. Hem hoffte, sie würden nicht in ein unverhofftes Loch fallen, andernfalls wüsste er nicht, wie er die Schubkarre je wieder daraus befreien sollte. Das Wasser wirbelte um seine Knie; trotz des Zaubers spürte er dessen Macht. Es bedurfte aller Kraft Salimans, durch die Strömung zu waten, und einmal stolperte er und wäre um ein Haar gestürzt, aber sie schafften es beide ohne Missgeschick auf die andere Seite.
Nun waren sie beide bis zur Hüfte hinauf nass, und der Wind wehte bitterkalt. Kurz hielten sie an und zogen sich um; es wäre für sie beide nicht gut gewesen, noch mehr zu frieren. Hem roch besorgt den Wind; Regen lag darin, und er zog in ihre Richtung. Er drehte sich um und erblickte dunkle Wolken, die tief am südlichen Himmel hingen und über die grünen Hügel wallten.
Langsam kämpften sie sich den nächsten Hügel hinauf. Mittlerweile brannten Hems Arme wie Feuer, doch er biss die Zähne zusammen und schob weiter. Er glaubte nicht, noch viel weiter gehen zu können. Saliman stapfte neben ihm einher, stets zwei Spannen entfernt, und blieb stumm. Sein Schweigen verriet Hem mehr als alles andere, welchen Tribut der Marsch von ihm forderte, und er suchte verzweifelt ihre Umgebung in der Hoffnung ab, ein Anzeichen auf einen Kuhstall, eine Hütte oder auch nur einen der offenen Unterstände zu entdecken, die Bauern für ihr Vieh anfertigten. Sie brauchten eine Zuflucht vor dem aufziehenden Regen. Wenn er nicht bald etwas fände, würde er das Zelt aufschlagen müssen, doch er hoffte auf etwas Wärmeres und Größeres, wo sie ein Feuer anzünden konnten.
Schließlich erreichten sie die Kuppe des Hügels, blieben mit dem Rücken zum Wind stehen und blickten
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