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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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»Vertraust du mir nicht?«, fragte sie schließlich. »Ist es das?«
    »Warum sollte ich dir vertrauen?«, gab er zurück und drehte sich ihr zu. Maerad spürte, wie ihr Gemüt in Wallung geriet, versuchte aber, es zu zügeln; während die Ungerechtigkeit dessen, was er gesagt hatte, fast so sehr schmerzte wie sein Misstrauen, erinnerte sie sich an den entsetzlichen Streit, den sie vor der Katastrophe am Gwalhain-Pass gehabt hatten, wo sie überzeugt davon gewesen war, dass er getötet worden sei. Sie wollte nicht, dass sich erneut eine solche Kluft zwischen ihnen auftat.
    »Ich muss dir nicht jeden Gedanken mitteilen, der mir durch den Kopf geht«, sagte sie mit gefasster Stimme. »Was gibt dir das Recht, das zu verlangen?« »Das Recht, das ich habe, ist das Vertrauen, das ich in dich setze, indem ich mein Leben aufs Spiel setze, um deinem Weistum zu folgen«, erwiderte Cadvan. »Findest du nicht auch?«
    Abermals setzte ein ausgedehntes, unbehagliches Schweigen ein. Es stimmte, dass Cadvan sein Leben und mehr aufs Spiel gesetzt hatte, dennoch wurde Maerad immer zorniger; diese Seite Cadvans, seine Fähigkeit, sich ohne Vorwarnung in einen unversöhnlichen, nachtragenden Richter zu verwandeln, ärgerte sie über alle Maßen, und es fühlte sich zutiefst verletzend an. Erschwerend kam hinzu, dass in seinen Worten ein Körnchen Wahrheit mitschwang, allerdings nur eine halbe, keine ganze Wahrheit.
    »Ich denke, du irrst dich, was Ardina angeht«, sagte sie schließlich und starrte Cadvan trotzig an. Er begegnete ihrem Blick unverwandt. »Ich habe sie besser kennen gelernt als du. Ja, sie ist eine Elidhu, aber nur, weil die Elidhu gefährlich sind oder ihre eigenen Beweggründe haben, die sich von den unseren unterscheiden, müssen sie nicht böse sein. Ich brauche Hilfe, und ich glaube Ardina kann sie mir geben, du hingegen kannst es nicht.« Der letzte Satz erklang gehässiger, als sie beabsichtigt hatte, und sie biss sich auf die Lippe. »Vielleicht hast du damit recht«, meinte Cadvan mit ausdrucksloser Miene. »Ich habe keine Möglichkeit, es zu beurteilen.« Kurz verstummte er, dann fügte er hinzu: »Es tut mir leid, was ich zuvor gesagt habe. Worte, die übereilt oder im Zorn gesprochen werden, können schroffer sein, als sie gemeint sind.«
    Maerad nickte, nahm die Entschuldigung an. Sie ergriff mit zitternden Fingern ihr Bündel und durchsuchte es nach der Schilfflöte, die Ardina ihr geschenkt hatte. Maerad betrachtete sie eingehend; dabei kam ihr der Gedanke, dass sie nicht wusste, wie sie mit ihrer verkrüppelten Hand darauf spielen sollte. Sie spielte mit dem Gedanken, Magie einzusetzen, um ihre Finger aus Licht zu erschaffen, doch aus Gründen, die sie nicht zu erklären vermochte, verwarf sie den Einfall. Es war eine bescheidene Flöte, die bescheiden gespielt werden sollte. Cadvan beobachtete sie neugierig, schwieg aber.
    »Ich kann es auch sofort versuchen«, meinte sie. »Obwohl ich nicht sicher bin, welche Weisen ich noch spielen kann …«
    Sie stand auf, da sie das Gefühl hatte, es wäre irgendwie respektlos, Ardina im Sitzen zu rufen, und blies versuchsweise in die Flöte. Die hohen, flüchtigen Töne beschworen ein lebhaftes Bild einer wunderschönen, verwaisten Landschaft herauf: von langen Schilfreihen an einem weitläufigen See, an dem abends Brachvögel sangen. Es war lange her, dass sie zuletzt Flöte gespielt hatte, und sie runzelte die Stirn, als ihr ein Fehler unterlief. Rasch blickte sie zu Cadvan, als wollte sie sich vergewissern, dass er noch da war; wenngleich sie es sich nicht eingestehen wollte, fühlte sie sich beunruhigt dabei, Ardina anzurufen, vor allem nach dem beinah verheerenden Missgeschick der vergangenen Nacht. Sie holte tief Luft und begann, eine einfache Weise zu spielen, ein Kinderlied, das sie leicht anpasste, um ihren fehlenden Fingern gerecht zu werden.
    Eine scheinbar lange Zeit geschah nichts. Die schnarrenden Töne trieben traurig und einsam in den dunkler werdenden Abend hinaus. Nach und nach verlor sich Maerad in dem Zauber, der damit einherging, Musik zu spielen; trotz ihrer verstümmelten Hand fand sie zu einer Ausdrucksstärke, die sie erfreute, und sie fing an, Verschiedenes auszuprobieren. Dann spürte sie ein Kribbeln im Nacken, als beobachtete sie jemand; sie wirbelte herum und ließ die Flöte von den Lippen sinken.
    »Sei gegrüßt, Elednor Edil-Amarandh na«, sagte Ardina.
    Die betäubende Wirkung von Ardinas Schönheit überraschte Maerad jedes Mal

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