Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
weit entfernt befinden, um die Banner zu erkennen. Diese Formationen sehen vertraut aus… Aber lasst uns von hier verschwinden, bevor jemand unsere Umrisse vor dem Himmel sieht.«
Bestürzt wendeten sie die Pferde und verließen die Anhöhe. Sie fanden einen Hain aus Eschen, wo sie sich ein wenig geschützt fühlten, und stiegen ab.
»Das ist Pech«, meinte Saliman. »Aber ich denke, wir sollten das Wagnis des Gaus der fast sicheren Aussicht vorziehen, diesem Heerzug in die Arme zu laufen.« »Was ist das für eine Armee?«, fragte Hekibel. Ihre Lippen waren blass. Hem fiel ein, dass dies ihr erster Blick auf eine Armee auf dem Marsch gewesen sein musste.
»Wenn ich recht habe, sind das schlechte Neuigkeiten für Annar«, erwiderte Saliman. »Sie kann gewiss nicht aus Norloch stammen: Warum sollte Enkir eine Armee durch den Süden schicken? Obendrein bin ich nicht sicher, ob Enkir eine Streitkraft dieser Größe aufstellen könnte. Ich fürchte, es ist die Schwarze Armee, und wenn dem so ist, hat Sharma eine Streitkraft durch Nudd herauf entsandt. Vielleicht hat er Elevé bereits dem Erdboden gleichgemacht; vielleicht auch nicht: Es ist eine stark befestigte Schule, die er hätte belagern müssen, was die Armee aufgehalten hätte. Und diese Armee ist rasch marschiert. Als wir aus Nal-AkBurat aufgebrochen sind, kursierten noch keine Gerüchte über Truppenbewegungen durch Nudd, und Hared hatte Spitzel in dieser Gegend. Er hatte einen solchen Zug befürchtet, einen Stich mitten ins Herz von Annar, obwohl wir beide dachten, selbst Sharma würde das Wagnis nicht eingehen, an drei Fronten zu kämpfen. Offenbar hält er seinen Arm für sehr stark, sodass er meint, überall zuschlagen zu können, wo er möchte.«
»Eleve?«, fragte Hekibel mit zittriger Stimme. »Dort war ich -vor gar nicht langer Zeit… «
»Also«, ergriff Hem bedrückt das Wort, »marschiert Sharma gen Amdridh, belagert Til Amon und ist nun bereits in Annar. Was macht Enkir indes?«
»Ich vermute, Enkir ist im Osten zugange. Weshalb er nicht gen Til Amon marschiert ist. Ich wünschte, ich wüsste mehr darüber, was in diesem Land vor sich geht! Alles, was wir wissen, ist, dass dies von langer Hand geplant wurde. Ich denke, dass diese Armee zu Sharmas Verbündeten in Desor marschiert, in der Absicht, von dort aus die Herrschaft über Nord-Annar zu übernehmen. Cadvan hatte recht, was Desor anging, dennoch bezweifle ich, dass er dies vorhergesehen hätte.« Betretenes Schweigen senkte sich über sie, durchbrochen nur von Fenek, der aufgeregt an einem Kaninchenbau schnupperte. Hem beobachtete das Tier und wünschte kurz, er wäre selbst ein Hund, dessen einzige Sorge die nächste Mahlzeit war. Dann stieg ein Bild vor seinem geistigen Auge auf, das ihn schon einmal heimgesucht hatte: Wie aus großer Höhe sah er Feuerlinien, die sich unerbittlich durch ganz Edil-Amarandh ausbreiteten und in ihrem Gefolge ein Ödland aus Asche zurückließen.
»Also, hier können wir nicht bleiben«, sagte Hekibel. »Was sollen wir tun?«
»Wir müssen uns für das geringere Übel entscheiden und den Gau betreten«, erwiderte Saliman. »Wenngleich es mir ganz und gar nicht behagt. Mir gefallen diese Lager nicht, und es treiben sich zu viele Soldaten herum. Aber ich fürchte, wenn wir der Schwarzen Armee begegnen, geraten wir mit Sicherheit in Schwierigkeiten. Es ist bekannt, dass sie jeden töten, der ihnen über den Weg läuft, selbst Frauen, Kinder und Säuglinge. Aber wenn wir rasch durch den Gau reisen und uns an dessen Rändern halten, gelangen wir vielleicht wie ein Faden durch ein Nadelöhr an beiden Gefahren vorbei. Vielleicht haben wir Glück. Vielleicht sind sie zu beschäftigt damit, die Bauern im Auge zu behalten, die vor den Überschwemmungen in Ifant geflüchtet sind…«
Vielleicht, dachte Hem. Andererseits konnten die Barden von Desor ebenso gut besonders wachsam und argwöhnisch auf Fremde achten, erst recht, wenn sie einen Überraschungsangriff auf Nord-Annar planten. Und er fragte sich, ob es ihnen wirklich gelungen war, den Untoten von ihrer Spur abzubringen, der sie seit Til Amon verfolgt hatte. Er wünschte, er könnte sicher sein. Allmählich fühlte er sich wie ein gehetztes Tier, das in eine Falle getrieben wurde. Er ließ den Blick über seine Gefährten wandern und fragte sich, wohin Irc geflogen sein mochte. Eine weiße Krähe war zu auffällig; Hem fand, dass er Ircs Gefieder trotz dessen vorhersehbarer Einwände wieder färben
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