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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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stählte sie sich und bereitete sich darauf vor, den Landrost zu finden. Angesichts der an ihrem Willen zehrenden Kälte und der Erwartung, dass jeden Augenblick Belagerungsleitern gegen die Mauern prallen konnten, fiel es ihr schwer, die Gedanken zu bündeln. Sie löste das Schwert aus der Scheide und schlang sich die Decke fester um den Kopf.
    Als sie ihren Geist öffnete, zuckte sie zusammen. Der Landrost war so nah - nur einen Steinwurf entfernt, falls überhaupt -, und einen Lidschlag lang vermeinte sie, dass er ihrer gewahr wäre und erkennend etwas um sich scharte. Der Augenblick verstrich, und Maerad atmete erleichtert aus. Vielleicht glaubte er, sich geirrt zu haben; vielleicht war er zu beschäftigt. Dennoch ließ das Gefühl, dass etwas ihre Gegenwart spürte, wenngleich schwach, sie vorsichtig vorgehen. Die Nähe des Landrosts gestaltete ihr Vortasten gefährlich, doch sie hatte keine Wahl. Behutsam begann Maerad ihren Geist zu weiten und versuchte, dem sie umgebenden Strudel von Empfindungen, die ihre Wahrnehmung beeinträchtigten, keine Beachtung zu schenken. Am Rande bemerkte sie Kummer, Angst und Grauen, den sich verdichtenden Gestank von Verzweiflung, doch mit einem Ruck riss sie ihre Aufmerksamkeit davon weg. Wie Indik gesagt hatte, ihre Aufgabe lag woanders. Sacht entsandte sie Fühler und versuchte, sich in den Geist des Landrosts zu stehlen, wie er es bei den Soldaten und Barden von Inneil tat, denen er so den Lebensodem raubte. Tiefsitzende Wut begann in ihr zu schwelen, und sie drängte sie zurück, da sie ihr nicht nützte. Jedenfalls noch nicht. Je mehr sie ihre Aufmerksamkeit bündelte, desto mehr verflüchtigte sich ihre Angst. Der Landrost, dachte sie, war zu beschäftigt, um ihr Tasten an den Rändern seiner Macht zu bemerken.
    Maerad erkannte, dass das, was er tat, in gewisser Weise ganz einfach war. In der Mitte des Landrosts befand sich nichts, überhaupt nichts; dieses Nichts sog die Wärme und den Atem jedes Lebewesens in Inneil in seine Leere. Wenn Maerad ihn nicht aufhielt, würden bald selbst Mauern und warme Ofen keinen Schutz mehr bieten. Einen Augenblick erstarrte Maerad vor Erstaunen. War der Landrost auf eine Weise lebendig, die sie nicht verstehen konnte? Wie konnte er sich in ein solches Nichts verwandeln? Selbst der Winterkönig strotzte trotz all seiner klirrenden Kälte mit einer reinen, fesselnden Ausstrahlung vor Leben… Sie drängte diesen Gedanken beiseite - er war gefährlich. Der Landrost glich einem Unwesen, einem Unleben. Es gab keine Möglichkeit, etwas zu bekämpfen, das schlichtweg nichts war.
    Wenn sie also nicht gegen ihn kämpfen konnte, was konnte sie dann tun? Von ihr selbst gab es nicht genug, um dieses endlose Loch zu füllen, diesen unmenschlichen, gierig klaffenden Schlund. Der Landrost begehrte nichts, man konnte ihm nichts antun, er war nichts. Wenn es einen Schlüssel gäbe, dachte Maerad verzweifelt, eine Art… Wenn sie den Landrost irgendwie verletzen, ihn irgendwie zwingen könnte, etwas zu werden…
    Sie spürte, wie neuerlich Panik in ihr aufstieg, während sie nach einem Hebel suchte, wenigstens einem Ansatz, ihn aufzuhalten, und nichts fand. Dann hörte sie am Rande ihres Bewusstseins leise Schreie, ein Klirren, Gebrüll… Vermutlich griffen letztlich die Gebirgsmenschen die Schule an. Und was hatte der Landrost mit den Werwesen gemacht? Das ist nicht deine Aufgabe, hatte Indik zu ihr gesagt. Krampfhaft verdrängte sie den Gedanken an das wilde Gefecht, das um ihren verwaisten Körper stattfand, und rang ihre Panik nieder. In dieser seltsamen Welt des Geistes gab es keine Zeit: Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie schon über das Problem mit dem Landrost nachgrübelte. Es konnte weniger als ein Lidschlag gewesen sein, ebenso gut jedoch Stunden über Stunden… Aber sie wusste, dass ihr in der anderen Welt die Zeit davonlief, und immer noch fiel ihr nicht ein, was sie tun konnte.
    Zerstöre ihn.
    Die Stimme ertönte so mühelos in ihrem Geist, dass Maerad sie zunächst für ihre eigene hielt und beinah über ihre Torheit laut aufgelacht hätte.
    Elednor Edil-Amarandh na, sagte der Winterkönig, und Maerad drehte sich der Magen um, als sie sein Ziehen und das ihrem bewussten Willen widerstrebende jähe Aufkeimen von Verlangen in ihr spürte. Zerstöre den Landrost. Oder mangelt es dir am Willen?
    Mir mangelt es an allem, erwiderte Maerad hitzig, als plötzlich Zorn in ihr aufflammte. Du redest, als brauchte ich nur eine Spinne zu

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