Die Pelzhändlerin (1. Teil)
als sie das erste Mal in seiner Gerberei gewesen war und sich die Nase zugehalten hatte.
«Was meint Ihr denn, womit wir gerben, Bürgersfrau, hey? Das Handwerk ist schmutzig und stinkt zum Himmel. Deshalb liegt unser Viertel am Rande der Stadt und nahe am Wasser.»
«Mit Alraune denke ich», hatte Sibylla geantwortet, denn so hatte es ihr Jochen in einer abendlichen Unterrichtsstunde erklärt.
Sachs hatte genickt. «Im Grunde habt Ihr Recht. Doch Alraune ist zu teuer und manchmal zu beißend. Ein paar frische Hundehaufen, vermischt mit einer Hand voll Hühnerdreck und ein paar Kellen Pferdeurin geben die beste Beize.»
Er führte Sibylla zu einem Bottich, in dem eine dunkelbraune Brühe schwamm.
«Na», fragte er lauernd. «Traut Ihr Euch, dort hineinzufassen?»
Sibylla lächelte, dachte an die Brühe im Feldsiechenhaus, die oft eine ähnliche Farbe hatte und in der neben Kotresten auch andere Dinge geschwommen waren, von denen sie lieber nicht hatte wissen wollen, was es war. Da sollte ihr ein bisschen Beize aus Tierkot etwas ausmachen? Pah!
Die Gesellen waren näher gekommen. Sibylla warf den Männern einen triumphierenden Blick zu, dann schürzte sie ihren Rock, krempelte die Ärmel hoch und fasste herzhaft mit beiden Händen in die stinkende Brühe. Sie machte einige Bewegungen darin, wollte den Männern unbedingt beweisen, dass sie wahrhaftig keine Furcht hatte, mit der Beize in Berührung zu kommen. Doch dann lachte einer der Gesellen los, schlug sich auf die Schenkel vor Freude und prustete mit hochrotem Kopf heraus: «Seht Euch die Theilerin an. Wie eine Wäscherin fährt sie durch die Beize. Als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht.»
Sibylla riss ihre Hände so plötzlich aus der stinkenden Brühe, dass die Flüssigkeit nach links und rechts spritzte. Auch die anderen Gesellen stimmten in das Lachen mit ein.
Sibylla stand da, mit tropfenden Händen und hochrotem Kopf.
«Ich bin keine Wäscherin», rief sie mit schriller Stimme, trat zu dem Gesellen, holte aus und schlug ihm rechts und links ins Gesicht, dass sich seine Wangen sofort knallrot färbten. «Niemand soll es wagen, mich so zu nennen.»
Die Gesellen verstummten und sahen betreten drein.
«Verzeiht, Meisterin», brachte der Geschlagene schließlich hervor. «Wir wollten Euch gewiss nicht beleidigen. Ein harmloser Spaß nur sollte es sein.»
«Schluss jetzt mit dem Unfug», schritt Sachs endlich ein und reichte Sibylla einen Krug Wasser und ein Tuch, damit sie sich die Hände waschen konnte.
Er trat zu dem Gesellen und sagte so laut, dass alle es hören konnten: «Auch für dich ist jetzt Schluss, Thomas. Ich kann es mir nicht leisten, einen Gesellen zu beschäftigen, der mir die Kundschaft verscheucht. Der geringste Vorfall noch, und du wirst dir einen anderen Meister suchen müssen. Deinen Lohn aber für die nächsten drei Monate wirst du der Theilerin als Schmerzensgeld geben.»
Der Geselle warf Sibylla einen Hilfe suchenden Blick zu. Doch Sibylla schwieg, noch immer heftig atmend.
Als der Geselle merkte, dass von Sibylla keinerlei Hilfe zu erwarten war, hatte er sie mit einem Blick voller Hass und Rachsucht bedacht, der Sibylla noch jetzt schaudern ließ. Sie wusste, dass sie sich einen echten Feind gemacht hatte, der ihr gefährlich werden konnte.
Dann, als wäre nichts gewesen, hatte Meister Sachs auf einen Haufen roher Felle, an deren Unterseiten noch Fleisch und Fettgewebe hingen, gedeutet, die ebenfalls für den ekelerregenden Gestank in den Werkstätten und Gassen der Gerber verantwortlich waren.
«Seht Ihr, so kommen die Felle zu uns. Wir legen sie über Nacht in Zuber mit Regenwasser, damit sie weich werden, und geben ein bisschen Salz dazu, sonst quellen die Häute auf und verlieren die Haare. Am nächsten Morgen werden die Felle entfleischt. Dazu werden sie über den Rumpelbock, das gewölbte Brett dahinten gespannt, und der Gerber steht dahinter und entfernt mit dem Scherdegen das aasige Fleisch.»
In den vergangenen Wochen hatte Sibylla oft an diese Szene gedacht und jedes Mal einen dicken Kloß im Hals gefühlt. Die Gesellen hatten nicht grundlos gelacht, nein. Sie hatte sich benommen wie eine Wäscherin, hatte die Röcke gerafft wie eine Wäscherin, die Arme bis zu den Ellbogen eingetaucht und die Hände bewegt, als rubbele sie Stoff dazwischen. Verraten hatte sie sich, weil sie der Versuchung nicht widerstehen konnte. Und ohne dass sie es bemerkt hatte, war die Wäscherin in ihr auferstanden.
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