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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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tragen. Weißsticker, denen nur zierlose Kleidung erlaubt war, Kürschner, die Mäntel aus Zobel herstellten, aber selbst nur in Eichhörnchen gehen durften.
    Dazu die Priester, die von jeder Kanzel gegen die Putzsucht der Bürger wetterten, selbst aber die schönsten Ornamente an ihren Gewändern trugen.
    Wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Kleiderordnung zu hintergehen, wären wir bald sehr reich und könnten endlich die Dinge herstellen, die ich immer wollte, dachte Sibylla. Dann könnte ich endlich meine Träume verwirklichen.
    Kurz kamen ihr die Flagellanten vom Römerberg in den Sinn, doch dann dachte sie an Lucias Worte vom Gott, der die Menschen genauso zum Leben brauchte wie sie ihn. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Noch war der Weltuntergang nicht da. Und bis es so weit war, würde sie so leben, wie es ihr richtig erschien.
    Die ganze Hochzeitsmesse hindurch überlegte sie, wie man die Kleiderordnung umgehen konnte, und als Braut und Bräutigam aus der Dunkelheit des Kirchenschiffs in die Sonne hinaustraten, hatte sie einen Einfall.
    Sie eilte nach Hause und fand Jochen in der Werkstatt. Begeistert erzählte sie ihm von ihrer Idee.
    «Wenn du in den Pelz runde Löcher schneidest und das seidene Innenfutter nach außen ziehst und vernähst, wirkt es, als würden Seidenblumen aus dem Pelz wachsen. Die kreisrunden Pelzränder aber ziehst du nach innen, sodass auf der Seide kleine Pelzblumen wachsen. Will jemand seinen Reichtum in sicherer Umgebung zeigen, trägt er die Pelzseite. Zum Spazieren durch die Stadt allerdings eignet sich die Seidenseite besser, und er kann von keiner Kleiderordnung belangt werden. Das Verfahren eignet sich auch für Umhänge und Mäntel. Wer möchte, kann in die Mitte der Seiden- oder Pelzblumen noch eine Perle nähen.»
    Sibylla sah Jochen hoffnungsvoll an. Jochen nickte langsam und sagte: «Manchmal weiß ich nicht, ob ich deine Einfälle schrecklich oder wunderbar finde. Welche Welt trägst du in deinem Kopf? Sie ist so verschieden von der meinen.»
    «Ich weiß», erwiderte Sibylla. «Ich sehe Dinge, die andere nicht sehen. Sie haben keine Vorstellungskraft, können über das, was unmittelbar vor ihren Augen liegt, nicht hinwegdenken.»
    «Tja, davon mangelt es mir wohl», gab Jochen etwas widerwillig zu. Sibylla widersprach ihm nicht. Es war einfach nicht Jochens Art, über das Bestehende hinauszudenken. Darum hatte er auch noch Einwände.
    «Wer soll die Stola kaufen?», Jochen konnte einfach nicht aus seiner Haut raus.
    «Niemand. Ich werde sie der jungen Frau des Goldschmiedes als Hochzeitsgeschenk schicken. Sie ist eine Adlige, und allein aus diesem Grund betrachten die Handwerkersfrauen sie mit besonderer Aufmerksamkeit, trauen ihr besseren Geschmack, Vornehmheit und Modeempfinden zu. Ihre Kleidung wird zum Maßstab unter den Handwerkersfrauen werden, du wirst sehen. Schon immer haben die reichen Bürger versucht, die höfische Mode nachzuahmen.»
    «Eine Stola verschenken? Nein, Sibylla, das kommt nicht in Frage.» Jochen war entrüstet. «Ein so breites Stück Marderfell kostet viel Geld und viel Arbeit. So üppig haben wir es nicht, dass wir uns solche kostspieligen Geschenke leisten können.»
    «Denk an die Zünfte und ihre Regeln, Jochen», beschwor Sibylla ihren Mann. «Wir dürfen uns das Wohlwollen nicht verscherzen. Du weißt, dass eine Zunft der anderen helfen oder schaden kann, gerade in der Altstadt. Es wäre gut, die junge Goldschmiedin für uns einzunehmen.»
    Jochen schwieg. Doch schon eine Woche später lag die fertige Stola bereit. Bewundernd stand Sibylla davor und strich immer wieder über das dunkle Marderfell, aus dem taubenblaue Seidenblumen wuchsen.
    «Es ist wunderschön, Jochen. Ich glaube, es gibt nur wenige Handwerker, die es an Geschick mit dir aufnehmen können», sagte sie und meinte es auch.
    Dann ließ sie Barbara einen Boten rufen und schickte die Stola mit einem kleinen Brief in das Haus des jungen Ehepaares. Doch Sibyllas Plan ging noch weiter.
    «Auch ich brauche ein solches Stück», erklärte sie Jochen beim Mittagsmahl. «Aber aus preiswertem Fell mit einem einfachen Futter aus billigem Tuch.»
    «Wozu das?», fragte Jochen verwundert, doch Sibylla zog es vor zu schweigen. Jochen würde ihr Vorhaben nicht verstehen.
    «Sibylla, du verprasst unser Geld», warf er ihr vor. «Du besitzt drei Umhänge, brauchst keine Stola dazu. Eine Handwerkersfrau bist du, keine Adlige.»
    Sie sah die Verärgerung in Jochens Augen,

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