Die Pelzhändlerin (1. Teil)
das ihre. Dicke Teppiche in Rottönen bedeckten den Boden, Tisch, Stühle und Bänke waren mit kostbaren Holzschnitzereien verziert und trugen samtene Sitzpolster. Unzählige Kissen und Decken in allen Farbtönen und aus den verschiedensten Materialien waren im Raum verteilt, dunkelgrüne Vorhänge rahmten die Fenster mit den farbigen, bleigefassten Butzenscheiben ein. Eine stattliche Anzahl prächtiger Leuchter zierten jede freie Ecke, und der runde, beinahe unbezahlbare Konvexspiegel mit zehn gemalten Medaillons am Rand verstärkte den Eindruck bürgerlichen Reichtums.
Sibylla schmerzten die Augen von all den Farben, Mustern und Materialien. Ihr Fuß tappte unruhig auf den Boden, ihr Blick konnte kaum länger als einen Augenblick auf einem Gegenstand verweilen.
Reichtum ist nicht alles, dachte sie. Jedes einzelne Stück im Raum ist kostbar und sehenswert. Doch die Vielzahl an Farben, Formen und Dingen verschlucken einander; die Schönheit erstickt, wenn sie keinen würdigen Rahmen hat.
Was nützt all das Geld, wenn es an Geschmack fehlt? Ich hätte diesen Raum ganz anders gestaltet. Weniger Möbel, Farben, die ineinander übergehen und das Auge beruhigen. Sie hatte inzwischen von Lucia gelernt, wie die Farben zueinander in Beziehung standen, eine Stimmung verstärken oder abschwächen konnte, hatte auch gelernt, dass es nicht die Vielzahl von Dingen war, die Schönheit und Geschmack verrieten, sondern die geschickte Anordnung weniger kostbarer Stücke.
«Theilerin, was sagt Ihr?», fragte Sidonie, hielt ein großes Stück rot-gold gemusterten Stoffes vor. Um die Schultern hatte sie sich ein blaues Tuch geworfen.
«Ein Kleid, das bis zur Taille in Rot-Gold gehalten ist, das Mieder dagegen in Blau mit einer grünen Einfassung. Wie sähe das aus?», plapperte die jung verheiratete Frau.
Schrecklich sähe es aus, dachte Sibylla, so unruhig wie das ganze Zimmer hier. Woher rührte nur die Sucht, sich mit unzähligen Farben gleichzeitig zu behängen? Das Bedürfnis der Frankfurter, sich so bunt wie möglich zu kleiden, hatte sie schon immer gestört, doch erst Lucia hatte bestätigt, dass sie Recht hatte, dass es nicht die Wäscherin war, die aus ihr sprach.
Es stimmte zwar, dass die vollen Farbtöne wie Rot, Blau, Grün, Gold, Braun, Weiß und Schwarz als besonders vornehm gelten; Herrgott, aber doch nicht alle auf einmal!
Wie geschmackvoll ist dagegen die Kleidung der einfachen Leute, die höchstens zwei Farben miteinander kombinieren, dachte Sibylla und lächelte Sidonie Harms mit gespielter Herzlichkeit an.
«Ihr habt einen Hang zu schönen Farben. Doch bedenkt, dass sie einen Teil Eurer Schönheit schlucken. Der Blick fällt auf das Kleid, nicht auf Euch.»
Sie stand auf, nahm Sidonie das blaue Tuch von der Schulter und legte ihr ein dunkelrotes darüber, das den gleichen Farbton hatte wie der Rock.
«Schaut Euch an. Die Farben schmeicheln Euch, unterstreichen Eure weiße Haut, und der Schmuck im Ausschnitt erzielt die doppelte Wirkung.»
Sidonie drehte sich vorm Spiegel hin und her, betrachtete sich von allen Seiten.
«Ihr habt Recht, Theilerin. Dann werde ich eben einen Umhang aus dunkelblauem Samt dazu tragen.»
Sibylla verdrehte hinter ihrem Rücken die Augen. «Wartet!», widersprach sie vorsichtig. «Ich schickte Euch eine Stola als Hochzeitsgeschenk. Ich glaube, sie würde gut passen. Eine Stola, genau nach der venezianischen Mode geschnitten.»
«Italienische Mode, sagt Ihr? Bürgerlich oder höfisch? Gegen die Kleiderordnung?»
«Höfisch natürlich. Habt Ihr sie noch nicht gesehen?»
Sidonie schüttelte den Kopf und machte eine wegwerfende Handbewegung. «Es kamen so viele Geschenke. Und unter uns, Theilerin, das meiste davon war Abfall. Ich habe vieles an die Armen verteilt.»
Oh Gott, dachte Sibylla. Wenn Jochen erfährt, dass sein Marderfell an einen Grabenreiniger oder Henkersknecht verschenkt worden ist, bringt er mich um. Doch vorher bringe ich dieses eitle, dumme Geschöpf um.
Liebenswürdig lächelnd, sagte sie aber: «Wollt Ihr nicht eine Magd schauen lassen, ob sich das Stück noch im Haus befindet? Ich bin sicher, ein so teurer Pelz wäre Eurer Aufmerksamkeit nicht entgangen.»
Sidonie rief eine Magd, und schon wenige Minuten später kam die Frau mit der Stola über dem Arm zurück.
Liebevoll strich Sibylla über den Pelz und drapierte ihn dann geschickt um die Schultern der jungen Zunftmeisterin.
«Nun, was sagt Ihr?», fragte sie neugierig.
Sidonie drehte sich
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