Die Pelzhändlerin (1. Teil)
doch sie wusste, dass sie keine Verschwenderin war, im Gegenteil. Die Stola, um die sie ihn bat, würde sich doppelt und dreifach auszahlen. Dessen war sie sich ganz sicher.
«Ich bitte dich, Jochen, fertige mir diese Stola. Ich wünsche sie mir sehr.»
Heinrich, der Altgeselle mischte sich nun ein. «So sind die Weiber», stellte er klagend fest. «Können nie genug kriegen. Reicht man ihnen den kleinen Finger, greifen sie nach der ganzen Hand.»
Sibylla konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Die ganze Stadt wusste, dass er sich in ein Mädchen aus dem Frauenhaus verliebt hatte. Eine Hure, die er besuchte, sooft er konnte. Um sie für sich einzunehmen, kaufte er auf dem Markt Rosenwasser und Pfirsichkernöl, stellte sich aber bei seiner Heimlichtuerei so ungeschickt an, dass die ganze Stadt über ihn sprach. Außerdem verlangte seine bezahlte Geliebte nun immer größere Geschenke, und Heinrich meckerte den ganzen lieben langen Tag über die Maßlosigkeit der Frauen.
«Jochen, ich habe bald Namenstag. Schenk mir die Stola zu diesem Tag, und ich verspreche dir, dich danach nicht mehr mit Wünschen zu behelligen», bat Sibylla.
Jochen ergab sich in sein Schicksal und winkte sie ins Fell- und Stofflager, damit sie sich die passenden Sachen aussuchen sollte. Sybilla wählte einen Pelz von graubraunem Feh und ein Innenfutter aus mittelfestem Tuch, das mit jungen Birkenblättern lindgrün gefärbt worden war. Inzwischen war der Oktober vergangen, die wenigen Bäume in der Stadt hatten ihre Blätter verloren, und ihre kahlen Äste schwankten wie Gerippe im Wind. Die Menschen hatten ihre Sommerkleider in den Truhen verstaut und die Wintersachen hervorgeholt.
In der Werkstatt arbeiteten Jochen und die Gesellen bis spät in die Nacht, um alle Aufträge für warme Umhänge und Mäntel zu erfüllen.
Sibylla war rastlos. Vier Wochen waren vergangen, seit sie der jungen Frau des Zunftmeisters die Stola als Geschenk ins Haus geschickt hat. Seither keine Nachricht, kein Dankeschön, nichts. Es war, als wäre die Stola niemals angekommen.
«Was meinst du? Soll ich hingehen?», fragte Sybilla Martha, als sie zusammen in der Waschküche die Wäsche besorgten. Sibylla wusch, und Martha glättete die Kleidung mit einem heißen Stein. Das war das Einzige, was Sibylla für Martha tun konnte: Ihr die Wäsche zumindest bei ihr im Hause abzunehmen und ihr hin und wieder ein paar Gulden zuzustecken, damit sie sich den ein oder anderen Luxus leisten konnte. Mehr ging nicht, sonst würde man sich fragen, warum es der Wäscherin Martha auf einmal so gut ging. Und irgendjemand würde sich dann bestimmt an Marthas Tochter Luisa erinnern, die doch der Kürschnerstochter Sibylla so ähnlich gesehen hatte. Darum war die Waschküche der einzige Ort für ungestörte Gespräche.
«Gehe nicht zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst», beantwortete Martha Sibyllas Frage.
«Die Adlige ist nun Bürgersfrau und hat mit einer Fürstin nichts gemein. Und meine Fürstin ist sie schon gar nicht. Sie ist mir gleichgestellt. Beide sind wir Ehefrauen von Handwerksmeistern», erwiderte Sibylla trotzig.
«Und was willst du als Grund für deinen Besuch angeben?», fragte Martha. «Es macht keinen guten Eindruck, wenn du sagst, du kämest, um nach der Stola zu fragen.»
«Ich weiß», erwiderte Sibylla. «Deshalb werde ich sagen, ich müsste noch etwas daran ausbessern.»
Mit Schwung holte sie das letzte Stück Wäsche aus dem Zuber, packte ein bisschen von dem blauen Seidenstoff, passendes Garn und eine Nadel ein, schlüpfte in ihren Umhang und wollte eben das Haus verlassen, als Jochen aus der Werkstatt kam.
«Du gehst aus?», fragte er.
Sibylla nickte. «Zur Goldschmiedin will ich und nach der Stola fragen.»
Jochen nickte. «Du wirst das schon richtig machen. Aber warum trägst du deinen alten Umhang und lässt die neue Stola in der Truhe? Noch nicht einmal hast du sie getragen.»
«Alles zu seiner Zeit», erwiderte Sibylla und verließ, ehe Jochen weitere Fragen stellen konnte, das Kürschnershaus.
Eine Magd führte Sibylla in das große Wohnzimmer der Familie Harms. Markus Harms, der Zunftmeister, war in der Werkstatt im Erdgeschoss. Doch Sidonie, seine junge Frau, war zu Hause, hatte einen Schneider kommen lassen und suchte gerade Stoffe für neue Kleider aus.
«Einen Augenblick, Theilerin», rief sie und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Stoffen zu.
Sibylla nickte und sah sich um. Das Wohnzimmer war ungleich prächtiger als
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