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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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hörte sie nicht.
    «Sagt Ihr, die Theilerin möchte ihre Aufwartung machen», teilte sie der Alten vor ihr mit.
    Die Magd musterte sie mit zusammengekniffenen Augen, sagte kein Wort und winkte Sibylla mit der Hand in den Flur. Dann betätigte sie eine Glocke, und gleich wurde im oberen Stockwerk eine Tür geöffnet, und Lucia kam die Treppe heruntergeeilt. Als sie Sybilla sah, lächelte sie und breitete die Arme aus. Sie fasste Sibylla bei beiden Händen und sagte: «Wie schön, dass Ihr gekommen seid.»
    Dann wandte sie sich an die Magd, strich ihr über das strenge, harte Gesicht, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und sagte: «Danke, Ida.»
    Die Alte verzog den Mund zu einer Grimasse, die entfernt an ein Lächeln erinnerte, und entblößte dabei eine zahnlose, dunkle Höhle, die Sibylla seltsam leer erschien. Dann nickte sie und verschwand hinter einer Tür.
    «Kommt», sagte Lucia fröhlich und zog Sibylla die Treppe mit sich hinauf in den ersten Stock.
    «Die seltsame Frau, war das die Magd?», fragte Sibylla und warf noch einen Blick nach unten.
    «Ja, das war Ida, die Magd und gute Seele des Hauses. Was wären wir ohne sie?», erwiderte Lucia.
    «Sie hat kein Wort zu mir gesagt», verwunderte sich Sibylla, doch Lucia machte eine wegwerfende Handbewegung.
    «Wie sollte sie auch? Man hat ihr die Zunge herausgerissen, sie kann nicht sprechen.»
    «Die Zunge herausgerissen? Warum? Wer?»
    Lucia sah Sibylla aufmerksam an und hub an zu sprechen, doch dann entschied sie sich anders. «Ich erzähle Euch ein anderes Mal davon. Doch seid versichert, Ihr braucht Euch nicht vor ihr zu fürchten. Sie ist eine gute Seele. Wir alle lieben sie.«
    Dann geleitete sie Sibylla in das Wohnzimmer – und Sibylla kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Wände waren in einem warmen Gelbton gestrichen und weit oben mit einem breiten Goldstreifen verziert. Die Möbel waren erlesen und von dunkler, saftiger Farbe.
    Kissen, Decken, Polsterungen und Vorhänge waren von sattem Grün und mit goldenen Verzierungen versehen. Obwohl nur wenige Farben im Raum vorherrschten, fühlte sich Sibylla auf der Stelle wohl. Die heitere, beruhigende Stimmung des Raumes übertrug sich auf sie und bewirkte, dass sie sich entspannte.
    «Schön habt Ihr es», sagte sie. «Ich habe mir Koppers Haus anders vorgestellt.»
    Lucia lachte. «Ja, ja», sagte sie. «Ich weiß, die Leute denken, hier würden ungeheuerliche Dinge geschehen. Doch dem ist nicht so. In Florenz gilt Isaak Kopper als hervorragender Gelehrter. Sogar die Medicis interessieren sich für seine Arbeit. Das Zimmer allerdings habe ich gestaltet. Es ist mein Dank für die Gastfreundschaft.»
    Wieder kam Sibylla nicht umhin, Lucias Geschmack zu bewundern. Doch da war noch etwas anderes, das sie beschäftigte. «Ist er da? Kopper, meine ich?», fragte Sibylla und wusste nicht, ob sie eine Begegnung mit ihm fürchten oder erhoffen sollte. Seit sie ihr Kind verloren hatte, war sie Kopper nicht mehr begegnet. Aber vergessen hatte sie ihn nicht. Im Gegenteil. Viel zu oft dachte sie an seine grünen Augen, sein ruhiges Wesen und die Wärme und Geborgenheit, die er ausstrahlte. Er schien ein Mann zu sein, den nichts verwundern konnte, der auf jede Frage eine Antwort wusste.
    «Er ist verreist, hält Vorträge an der Universität in Köln. Auch mein Bruder ist dabei, sodass wir ganz ungestört sind», erwiderte Lucia.
    Ida, die Magd, klopfte, kam herein und brachte roten Wein in einer erlesenen Karaffe und Gläser. Sie stellte die Dinge auf dem Tisch ab und verschwand wieder.
    Lucia betrachtete Sibylla mit neuer Aufmerksamkeit. «Ida mag Euch», sagte sie. «Sie hat Euch den besten Wein serviert. Das tut sie sonst nie.»
    Merkwürdig, dachte Sibylla. Wie kam diese Frau dazu, sie zu mögen? Eine Frau, vor der Sibylla leise Furcht empfand, obwohl sie sie nicht begründen konnte. Doch gleich vergaß sie diese Gedanken und lauschte stattdessen hingerissen Lucias Erzählungen.
    «Ich habe eine eigene Werkstatt in Florenz, beschäftige dort Weber, Stickerinnen, Schneider, Teppichknüpfer und Näherinnen», erzählte Lucia.
    «Habt Ihr keinen Mann?»
    Lucia lachte heiter. «Nein. Florenz ist voller interessanter Männer, die es verstehen, eine Frau zu verwöhnen. Warum sollte ich mit nur einem vorlieb nehmen?»
    Bei diesen Worten verschlug es Sibylla zuerst die Sprache. Mehrere Männer – doch ihr war sofort klar, dass Lucia deswegen noch lange keine Dirne war.
    «Aber die Zünfte? Verbieten sie Euch

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