Die Pelzhändlerin (1. Teil)
überstanden. Du kannst sicher sein, dass ich nie vergessen werde, wie treu und fleißig du stets warst.»
«Aber heiraten werdet Ihr mich nicht?»
«Nein, Heinrich», erwiderte Sibylla mit fester Stimme. «Heiraten werde ich dich nicht. Aber es soll dir trotzdem an nichts fehlen.»
Heinrich nickte. «Ihr solltet Euch dennoch jemanden suchen, der Euch beim Hauskauf hilft. In der Krämergasse stehen einige Häuser leer. Fragt Isaak Kopper danach. Er sitzt im Rat, weiß Bescheid und genießt Achtung und hohes Ansehen. Niemand wird versuchen, ihn zu betrügen.»
Isaak Kopper. Sibylla hatte ihn vergessen wollen, doch es war ihr nicht gelungen.
An jenem Morgen nach Jochens und Marthas Tod hatte er zu ihr gesagt: «Mein Haus und mein Herz stehen dir offen, Sibylla. Wenn du mich in der Zeit der Trauer brauchst, lass es mich wissen. Ich werde dich in keiner Weise drängen.»
Sibylla war dankbar gewesen für diese Feinfühligkeit. Aber seit jener Nacht hatte sie ihn gemieden. Sie wusste, dass etwas zwischen ihnen begonnen hatte, das mit einfachen Worten schwer zu beschreiben war. Nahe waren sie sich gewesen, doch es war eine andere Nähe gewesen als die, die sie manchmal bei Jochen empfunden hatte. Direkt aus der Tiefe ihres Herzens war dieses Gefühl, das sie bisher nicht gekannt hatte und vor dem sie sich fürchtete, gekommen.
«Ich habe viel zu tun», murmelte sie auch jetzt wieder. «Habe keine Zeit für die Liebe. Ich liebe meine Arbeit. Das reicht.»
Die Worte der Wahrsagerin fielen ihr ein: «Die Liebe ist das Wichtigste im Leben. Wenn Ihr sie verschmäht, so verschmäht Ihr das Leben. Ohne sie werdet Ihr niemals heil werden. Sie ist es allein, die Euch helfen kann.»
«Ich bin nicht für die Liebe gemacht», flüsterte Sibylla wieder. «Sie hält mich nur von der Arbeit ab.»
Trotzdem klopfte ihr Herz zum Zerspringen, als sie am Abend den Türklopfer mit der Schlange am Haus in der Schäfergasse betätigte.
Ida öffnete, begrüßte sie freudig, fasste sie an der Hand und zog sie ins Haus. Dann betätigte sie die Glocke mit solcher Inbrunst, als stünde das Haus in Flammen.
Gleich darauf hörte sie eine Tür schlagen, und Kopper eilte die Treppe herunter. «Sibylla», rief er aus. «Was für eine schöne Überraschung!»
Er nahm sie bei der Hand und führte sie ins Wohnzimmer, das sich seit Lucias Abreise nicht verändert hatte.
Wie damals, bei ihrem ersten Besuch, brachte Ida ein Tablett mit einer Weinkaraffe und schön geschliffenen Gläsern, die ihre italienische Heimat nicht verleugneten. Kopper goß ein, reichte Sibylla ein Glas und stieß mit ihr an: «Auf das Leben, Sibylla.»
«Ja, auf das Leben, Isaak.»
Erst als sie getrunken hatten, fragte der Arzt: «Was führt dich zu mir, Sibylla?»
«Ich suche ein Haus. In der Trierischen Gasse ist es zu eng geworden. Ich habe kaum genügend Schlafplätze für die Leute. Überall stapelt sich die Ware. Ein neues Haus suche ich, das Platz bietet für uns alle und auch Raum hat für zwei Werkstätten und Lager.»
«Willst du nach Jochens Tod die Werkstatt behalten?», fragte Kopper mit betont gleichgültiger Miene.
Sibylla schluckte. «Ja. Noch nie vorher hatten wir so viele Kunden wie jetzt. Die ersten Patrizier kaufen bei uns. Nicht nur Pelze, auch Kleider inzwischen. Die Einrichterei läuft ebenfalls gut. Ich habe sogar eine Anfrage von der Hellerin. Ein Kinderzimmer soll ich für sie ausstatten.»
Kopper lehnte sich in dem gepolsterten Stuhl zurück, schlug die Beine übereinander, fuhr sich durch die dunkelbraunen Haare, die bis auf die Schultern reichten. Seine flussgrünen Augen waren auf Sibylla gerichtet, und sie sah, dass sein markantes Kinn kantiger wirkte als sonst, so als bisse er die Zähne aufeinander.
«Meinen Glückwunsch, Sibylla», sagte er. «Du hast es weit gebracht. Deine Werkstatt zählt mittlerweile zu den anerkanntesten in der Stadt.»
Sibylla nickte. «Deswegen brauche ich ein größeres Haus.»
Kopper beugte sich nach vorn und blickte ihr tief in die Augen, als suche er dort nach einer Antwort, die sie ihm hartnäckig verweigerte.
«Hast du nie daran gedacht zu verkaufen? Du bist noch jung. Hast du keine Sehnsucht nach einer Familie mit Kindern und einem Leben als verheiratete Frau, die sich nicht um Kunden, Aufträge und Waren scheren muss?»
Sibylla wich seinem Blick aus und wiederholte die Worte, die sie sich zu Hause schon gesagt hatte: «Ich habe keine Zeit für Heirat und Kinder. Ich habe meine Arbeit. Das
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