Die Pelzhändlerin (1. Teil)
die allein und von Fliegen umschwirrt auf dem großen Holztisch stand.
Mürrisch trat Schieren näher, warf einen Blick in die Schale und stippte einen Finger in die erstarrte, kalte Grütze. «Was soll das sein?», brüllte er. «Das ist kein Frühstück für einen schwer arbeitenden Mann, das ist eine Frechheit.»
Mit einer Hand wischte er die Schüssel vom Tisch, sodass sie am Boden in tausend Scherben zersprang und die Grütze über die blank geputzten Holzdielen spritzte.
«Gebratene Eier will ich», schrie Schieren. «Und gib ordentlich Speck dazu.»
Jetzt reichte es Sibylla. Sie stellte sich vor Barbara, die am liebsten in den Herd gekrochen wäre.
«Gefrühstückt wird in diesem Haus nach der Morgenmesse. Jeder hier bekommt werktags Grütze und Brot, dazu Milch. Am Sonntag nur werden gebratene Eier und Speck aufgetischt. Das war schon immer so, und daran wird sich auch nichts ändern. Wenn es dir nicht passt, so schaffe dir eine eigene Köchin herbei. Und sieh zu, dass sie die Eier und den Speck gleich mitbringt», erwiderte Sibylla mit eiskalter Stimme.
Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, stand hoch aufgerichtet da und sah ihren Mann wutentbrannt an.
Dem fiel die Kinnlade herunter. Das Weib erhob die Stimme! Das Weib wagte zu widersprechen! In Schieren kochte die Wut. Eine Ader an seiner Schläfe färbte sich dunkelrot. Er stemmte die Hände in die Hüften und beugte den Oberkörper nach vorn: «Wenn ich dir sage, dass ich Eier mit Speck will, dann hast du zu gehorchen, Weib!», zischte er gefährlich leise.
«Pah!» Sibylla lachte laut auf. «Dir gehorchen? Dem Einzigen, dem ich zu gehorchen habe, ist Gott.»
Schieren kochte. In seinen Mundwinkeln hatte sich weißer Schaum gebildet. Er griff einen Holzscheit vom Stapel, der an der Wand neben dem Kamin aufgeschichtet lag, und kam drohend auf Sibylla zu. Doch Sibylla rührte sich nicht.
Barbara, die noch immer nahe beim Herd stand, versuchte zu beschwichtigen.
«Gleich mache ich Euch die Eier, Herr. Reichlich Speck werde ich dazugeben und alles schön knusprig braten. So, wie ihr es liebt. Sofort, Herr!»
«Sei still, Barbara. Nichts wirst du ihm machen. Er hat die Grütze nicht gewollt, also wird er warten müssen, bis der Tisch zum Mittag gedeckt wird», nahm Sibylla Barbaras Angebot zurück. «In diesem Haus ist nicht die Zeit, jedem eine Extrawurst zu braten.»
Während des kurzen Wortwechsels war Schieren stehen geblieben, hatte den Holzscheit sinken lassen, den Kopf nach vorn geschoben und eine Hand hinter das Ohr gelegt, als könne er nicht glauben, was Sibylla da sagte. Doch als er begriff, dass sein Weib nicht nachgeben würde, packte ihn wieder die Wut. Er schwang den dicken Holzscheit und kam näher. Als ihn noch drei Schritte von Sibylla trennten, griff sie nach einer schweren Kupferpfanne und schwenkte sie drohend in der Luft.
«Wage es nicht, mich zu schlagen, Schieren», sagte sie bemüht ruhig. «Noch einen Schritt, und ich schlage dir die Pfanne über den Kopf.»
Schieren blieb stehen. Vor Wut hatte er die Kiefer fest zusammengepresst. Seine Zähne mahlten, und weißlicher Schaum troff ihm vom Maul. Sibylla hielt die Pfanne hoch über dem Kopf und rührte sich nicht. Sie würde zuschlagen, das sah man ihr an.
Die Eheleute standen sich gegenüber und belauerten sich wie zwei wilde Tiere. In Sibyllas Augen brannten Wut und Hass, in Schierens der Wille zur Unterwerfung. Barbara hielt den Atem an und sah von einem zum anderen.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und Heinrich kam herein. Als er die Szene erblickte, blieb er stehen und riss den Mund auf.
«Was willst du, Heinrich?», fragte Sibylla, ließ Schieren nicht aus den Augen. Noch immer hielt sie die Pfanne hoch erhoben, und auch Schieren stand zum Schlag bereit.
«Der Ratsherr Willmer hat einen Boten geschickt. Er lässt Euch bitten, in sein Haus zu kommen und ihm das Esszimmer nach Florentiner Art zu schmücken», stammelte Heinrich, kam zögernd näher und stellte sich dann entschlossen zwischen Schieren und Sibylla. Die mutige Geste des Altgesellen wirkte wie ein Eimer kalten Wassers auf die Streitenden.
Sibylla ließ die Pfanne sinken, richtete ihr Kleid und ihre Haube und räusperte sich: «Sag dem Boten, ich werde am Nachmittag kommen und mein Musterbuch bringen.» Dann besann sie sich anders: «Nein, warte, ich werde es dem Boten selbst ausrichten.»
Mit diesen Worten rauschte sie aus der Tür, ohne ihren Mann, der im verrutschten, dreckigen
Weitere Kostenlose Bücher