Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Nachtkittel wie ein Trottel dastand, noch eines Blickes zu würdigen.
Nachdem sie den Boten wieder weggeschickt hatte, ging sie in ihre Werkstatt und blätterte in ihrem Musterbuch. Doch sie nahm die vielen Zeichnungen darin nicht wahr. Wie sollte sie auch? Es herrschte Krieg im Hause Schieren.
Das Mittagsmahl verlief zunächst schweigend. Barbara hielt den Blick fest auf ihre Schüssel geheftet. Auch Heinrich und Katharina schwiegen. Nicht einmal die Lehrbuben, die am Fuße der Tafel saßen, kicherten wie sonst. Die Schüsseln waren beinahe leer, als Schieren plötzlich mit dem Holzlöffel auf den Tisch schlug.
«Hört alle her», sagte er bestimmt und ließ seinen Blick über die erschreckte Schar gleiten. Nur Sibylla sah er nicht an, betrachtete stattdessen eine Fliege hinter ihr an der Wand. «Hört alle her. Ab heute gilt im Haus und in den Werkstätten mein Wort. Jeder, der die Anweisungen der Meisterin statt meiner Befehle befolgt, wird auf die Straße gejagt. In diesem Haus hat der Mann das Sagen. So, wie es sich gehört.»
Er sah zu Sibylla, die so gleichmütig dreinschaute, als hätte Schieren das Wetter für die nächsten Tage verkündet: «Du kannst in der Küche bestimmen, aber wage nicht, auch nur einen Fuß in die Werkstätten zu setzen.» Seine Stimme klang bei diesen Befehlen etwas brüchig, doch die erhobene Hand gab seinen Worten ausreichend Nachdruck.
Barbara und der Altgeselle schauten überrascht auf, doch sie sagten nichts. Stumm wechselten die beiden einen Blick über die Tafel hinweg.
«Wem das nicht passt, der kann gleich sein Bündel schnüren», drohte Schieren und sah dabei den Altgesellen so lange an, bis dieser den Blick senkte.
Sibylla musste lächeln, weil sie daran dachte, dass sie sich mit ähnlichen Worten bei Heinrich eingeführt hatte.
«Grins nicht so dämlich, Weib. Ich werde dafür sorgen, dass dir das Lachen vergeht», brüllte Schieren und sah Sibylla misstrauisch an. Warum blieb sie nur so ruhig? Er hatte erwartet, dass sie mit der irdenen Schüssel nach ihm werfen oder einen Wutanfall bekommen würde. Ihre Reaktion verunsicherte ihn.
«Tut, was der Meister Euch befiehlt», sagte sie nun und lächelte Heinrich zu. Schieren fühlte sich bestätigt und kratzte zufrieden schmatzend seine Schüssel aus. Er wartete nicht, bis auch die anderen mit ihrem Mahl fertig waren, sondern stand auf, zog das Wams über seinen dicken Wanst und verkündete: «Ich gehe in die Zunftstube. Heinrich, du kümmerst dich um die Kürschnerei und gibst den anderen Arbeit. Sibylla, du machst die Wäsche.»
Das fehlende Aufbegehren Sibyllas hatte ihn mutig gemacht. Vielleicht war das Weib am Ende ja doch noch zu gebrauchen. Er war ein Mann, jawoll, ein Mann, wie er sein sollte. Sie hattte jahrelang mit dem Krüppel hier gehaust. Kein Wunder, dass sie nicht gut geraten war. Aber er würde ihr schon beibringen, wie man sich einem Mann gegenüber zu verhalten hatte.
«Ich sag’s noch einmal: Wage dich nicht, deinen Fuß in eine der Werkstätten zu setzen», setzte er hinzu.
Dann rülpste er noch einmal zufrieden, drehte sich um und stolzierte von dannen.
Kaum war er weg, schauten die Bediensteten Sibylla fragend an. Auch Johannes und Susanne, Schierens Kinder, lauerten, wie Sibylla sich verhalten würde. Da sie ahnte, dass Schieren seine Brut angehalten hatte, sie zu überwachen, schwieg sie. Als die Männer in die Werkstatt gegangen waren, hielt sie Susanne zurück.
«Du hast gehört, was dein Vater gesagt hat: Die Wäsche muss erledigt werden. Und du wirst mir dabei helfen. Geh mit deinem Bruder zum Brunnen und hole Wasser. Zwei Zuber müssen gefüllt werden. Dann gib reichlich Lauge dazu, rühre gut um und weiche die Schmutzwäsche ein. Gewaschen wird morgen, wenn die Wäscherin kommt. Eure Kleidung ist so verdreckt, dass sie lange weichen muss. Du wirst der Wäscherin zur Hand gehen.»
Das Mädchen sperrte den Mund auf und wollte widersprechen, doch Sibylla schnitt ihr das Wort ab. «Tu, was ich dir sage. Denn über Haushalt und Küche bestimme ich!»
Dann drückte sie den Kindern die Eimer in die Hand und schickte sie fort.
Schließlich war sie mit Barbara allein in der Küche. Die Magd begann zu jammern. «Was sollen wir bloß tun?», fragte sie. «Das ist doch kein Leben hier. Wenn ich da an die Zeiten von Meister Theiler oder Meister Wöhler zurückdenke …»
«Mach dir keine Sorgen, Barbara», beruhigte Sibylla sie. «Bald wird alles wieder so sein, wie es war. Das verspreche
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