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Die Pension am Deich: Frauenroman

Die Pension am Deich: Frauenroman

Titel: Die Pension am Deich: Frauenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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Mund.
    Für einen Augenblick sieht es so aus, als wollte Monika entrüstet hochfahren. Anne legt ihr vorsichtshalber eine Hand auf den Arm. Aber Monika hebt nur ihren Kopf und erwidert: »Ihr werdet es nicht glauben. Das Gleiche habe ich auch schon gedacht. Das wäre wirklich die einzig gerechte Revanche gewesen.«
    »Ich habe da mehr an deinen verpassten Spaß gedacht«, entgegnet Tomke.
    Anne kann sich ein gequältes Stöhnen nicht verkneifen. Sie steht ruckartig auf. »Also, ich will euch nicht bevormunden, aber – aber hört auf mit diesem: Wie konnte das geschehen und was ist und was ist nicht und was wäre wenn. Nachträgliche Korrekturen bringen uns nicht weiter, und konfuse Rachegelüste schon gar nicht.«
    Tomke und Monika drücken unwillkürlich ihre Rücken durch und sitzen kerzengerade.
    »Wie meinst du das?«, fragt Tomke verwirrt. »Wir haben uns doch getroffen, um einen Racheplan auszutüfteln. Oder was?«
    Anne wiegt ihr lockiges Haar hin und her und wirft es dann mit einer energischen Bewegung nach hinten.
    »Racheplan«, wiederholt sie stirnrunzelnd, als höre sie das Wort zum ersten Mal. »Ja, schon, aber ich würde es eher einen Denkzettel nennen. Monikas Mann muss zum Nachdenken gebracht werden. Das ist das Ziel. Bei dem Wort Rache landet man unausweichlich irgendwann bei Mord und Totschlag.«
    »Was wäre daran so falsch?«, fragt Monika aufsässig.
    »Nun mal langsam«, beschwichtigt sie nun auch Tomke. »Mal ganz langsam. Das Letzte, was wir brauchen, ist eine Leiche. Woran nämlich niemand denkt: Die müssen wir auch wieder loswerden und anständig unter die Erde bringen. Das ist keine leichte Aufgabe.«
    Anne hält sich kichernd eine Hand vor den Mund. Sie setzt sich wieder und sieht Monika entschuldigend an. »Tut mir leid, es ist gerade nicht lustig für dich. Aber dieser friesische Humor ist einfach umwerfend komisch.«
    Tomke wirft ihr einen schrägen Blick zu und steht auf. »Ich hol mal den Tee.« Von wegen friesischer Humor, denkt sie und zieht das Teeei aus der Kanne. Das ist mein voller Ernst. Dieses Treffen in ihrer kleinen Stube, das gemeinsame Pläneschmieden, fühlt sich wie ein einziges Déjà-vu an. So ähnlich hat sie vor knapp drei Jahren mit Teresa hier gesessen. Damals ging es nicht mehr um eine kleine Strafaktion in der Hoffnung, eine Ehe zu kitten. Ihre Männer waren tot. Beide. Sie mussten nur noch anständig bestattet werden. Das war schwieriger als gewöhnlich. Weit schwieriger. Aber Tomke und Teresa haben es geschafft. Ihre Männer wurden beerdigt. Ein wenig anders, als die jeweilige Trauergemeinde annahm. Und bei dieser Annahme soll es auch bleiben. Das hat niemandem geschadet. Tomke fährt sich über ihren Strubbelkopf. Hör auf, die Erinnerungen bringen nichts. Ist alles gut so, wie es ist.
    Aber Monika ist noch zu helfen. Ihr Kerl ist ganz in Ordnung. Da hat sie einen Blick für. Leider nur bei anderen Männern, denkt sie lakonisch. Bevor sich Paul zu ihr in die Küche schleichen kann, eilt sie zurück in die Stube. Routiniert verteilt sie Kluntjes in den zierlichen Tassen und gießt den heißen Tee darüber. Die Frauen lauschen so andächtig dem Zerspringen der Zuckerkristalle, als könnte das knisternde Geräusch ihnen eine Antwort auf ihre Fragen geben. Tomke lässt die obligatorische Haube Sahne über das Getränk gleiten und fordert: »Nun trinkt erst mal. Das bekommt.«
    Monika und Anne gehorchen und nehmen artig jede eine Tasse. Stille. In ihr ist nur vorsichtiges Teeabschlürfen und das Ticken der Wanduhr zu hören. Plötzlich stellt Monika ihre Tasse so heftig auf den Tisch zurück, dass den beiden anderen ihre vor Schreck fast aus der Hand fällt. »Das ist doch verlorene Zeit! Kindertheater! Ich werde mich scheiden lassen!«
    »Willst du das denn?« Tomkes Stimme klingt so sanft, als rede sie mit einem verstockten Kind.
    »Will ich das?«, wiederholt Monika hilflos und fällt in sich zusammen. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich will. Heute Morgen dachte ich, vielleicht wird alles gut. Vielleicht kann ich mein altes Leben bald wieder greifen. Ich brauche nur Zeit. Aber jetzt? Jetzt ist alles anders. Ich bin von beiden Männern verschaukelt worden. Dabei habe ich mich abgemüht, zu ihnen ehrlich zu sein. So weit es möglich war. Jedenfalls konnte ich mir im Spiegel noch in die Augen sehen. Beschissen gefühlt habe ich mich trotzdem. Wie eine Betrügerin. Dabei habe ich nichts getan. Ich will, dass Frank diesen quälenden Zwiespalt nachempfinden

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