Die Pensionslüge: Warum der Staat seine Zusagen für Beamte nicht einhalten kann und warum uns das alle angeht (German Edition)
Beamten in den letzten Jahren durchaus ihren Beitrag zur Etatkonsolidierung geleistet, und sie müssen heute auch mehr zur Altersvorsorge beitragen als früher. Dennoch sehen wir in den nächsten Jahren einer beunruhigenden Entwicklung entgegen.
Diese Entwicklung ist selbstverständlich nicht den Beamten anzurechnen. Auch die Höhe der Pensionen unserer Staatsdiener ist nicht grundsätzlich das Problem. Das Problem ist das Versäumnis des Staates, rechtzeitig Vorsorge zu treffen, dass die künftigen Verpflichtungen auch eingehalten werden können. Öffentlichkeit und Politik waren bisher immer nur auf die aus dem Ruder gelaufenen Sozialsysteme für Rente, Pflege und Gesundheit fixiert. Die »Rente mit 67« hat viele wütende Menschen auf die Straße gebracht und ist immer noch als Talkshow-Thema für hitzige Diskussionen gut. Nichts dergleichen gibt es zum Thema »Pension mit 67«, »68« oder »70«. Um die zweite große Säule unseres Alterssicherungssystems, die steuerfinanzierte Beamtenversorgung, ist es ungleich stiller. Doch geht gerade von dieser für die öffentlichen Haushalte eine sehr viel größere Bedrohung aus. Denn für die Beamtenpensionen hat die Politik weder durch Umlagen noch durch eine ausreichende Kapitaldeckung rechtzeitig im Sinne einer generationengerechten Haushalts- und Finanzpolitik vorgesorgt. Und schon gar nicht hat sie an Krisenzeiten gedacht, von denen wir heute wissen, dass sie schneller und unerwarteter kommen, als wir es uns haben träumen lassen.
Unsere Amtsstuben ergrauen rapide: Die geburtenstarken Jahrgänge im Öffentlichen Dienst, die Babyboomer, gehen ab 2015 in Pension. Dass sie dies in »Kohortenstärke« tun, wie es die Wissenschaftler gerne nennen, hat mit der demografischenEntwicklung in Deutschland zu tun und damit, dass vor allem in den sechziger und siebziger Jahren der Öffentliche Dienst auf Kosten nachwachsender Generationen in – dies muss man heute klar benennen – unverantwortlicher Weise ausgebaut wurde. Denn wen kümmerten vor vierzig oder fünfzig Jahren schon irgendwelche Pensionszahlungen im Jahr 2020? Die Rechnung für dieses Versäumnis bekommen wir – die Steuerzahler – jetzt und in den kommenden Jahren ausgestellt. Kaum etwas ist nun einmal so genau vorherzusagen wie die demografische Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland. Bis 2030 müssen, wenn die Einstellungswellen der späten sechziger und frühen siebziger Jahre in massive Pensionierungswellen umgeschlagen sind, über 600 000 zusätzliche Pensionäre versorgt werden. Die Summe aller Versorgungszusagen, das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, wird bis 2040 die Marke von einer Billion Euro, sprich tausend Milliarden Euro, übersteigen. In einer im Januar 2012 in Berlin durch den Bund der Steuerzahler vorgestellten neuen Studie werden sogar noch höhere Zahlen genannt: 1360 Milliarden Euro kosten danach die Pensionen und – das wurde neu eingerechnet – die medizinischen Beihilfen und die Hinterbliebenenversorgung die öffentlichen Haushalte bis zum Jahr 2050. Bezogen auf das Jahr 2009, so heißt es bei den Autoren Bernd Raffelhüschen, Tobias Benz und Christian Hagist, müssten dann 55 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Beamtenversorgung ausgegeben werden. Die Lehman-Pleite ist nichts dagegen. Ein ordentlicher Kaufmann oder die berühmte »schwäbische Hausfrau«, die Bundeskanzlerin Angela Merkel in anderen Zusammenhängen gerne zitiert, hätten für solche Verpflichtungen über viele Jahre hinweg rechtzeitig Rückstellungen gebildet. Und nicht nur die schwäbische Hausfrau, sondern natürlich auch Merkels Vorgänger im Amt hätten dies tun müssen. Geschehen ist nicht viel. Deshalb ist das, was wir in den nächsten Jahren erleben werden, eine Katastrophe mit Ansage. Man muss nur einmal Torsten Albig fragen, seit einiger Zeit Oberbürgermeister von Kiel. Der ›Welt‹ sagte er: »Ich zahle heute über zwanzigMillionen Euro für Pensionslasten. Und die Menschen, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, arbeiten zum Teil schon seit Jahrzehnten für die Stadt. Keinen Euro haben wir bisher dafür angespart.« [1]
Albig weiß, wovon er spricht. Er gehört zu den hoffnungsvollen und vor allem auch finanzpolitisch kenntnisreichen SP D-Politikern , war lange Jahre Sprecher von SP D-Finanzminister Peer Steinbrück und hat durchaus Chancen, eines Tages Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zu werden. »Wir hätten dieses Geld seit vierzig
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