Die Pensionslüge: Warum der Staat seine Zusagen für Beamte nicht einhalten kann und warum uns das alle angeht (German Edition)
Jahren zurücklegen müssen«, kritisiert Albig weiter. Auch das Pensionssystem ist letztendlich eine Art Umlageverfahren: Beamte verzichten nach dem Alimentierungsprinzip auf Lohn während der aktiven Zeit als Gegenleistung für sichere Pensionszahlungen im Alter. Aber statt das Geld dafür beizeiten zurückzulegen und anzusparen, wurde es von der Politik zumeist mit vollen Händen ausgegeben – im Zweifelsfall für noch mehr Beamte. Ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das handelsrechtlichen Bestimmungen unterworfen ist, muss jederzeit für derartige Versorgungszusagen Rückstellungen in seiner Bilanz bilden. Der Bund und die Bundesländer taten dies aber lange Zeit überhaupt nicht und ignorierten die schwebenden Zahlungsverpflichtungen. Die bis heute vorhandenen staatlichen Rückstellungen für die Beamtenversorgung, durch deren Erträge die zukünftigen Pensionslasten abgesichert werden könnten, sind mehr als ungenügend. Im Bund sollen sie bis 2017 auf 28,5 Milliarden Euro ansteigen. Damit könnten ab dem Zeitpunkt gerade mal ein halbes Jahr lang alle Pensionen von Ruhestandsbeamten bezahlt werden.
Dafür geradestehen muss der Steuerzahler. Bei Ruhestandsgeldern und Pensionen handelt es sich um grundgesetzlich verankerte Rechtsansprüche. Es sind verbriefte Schuldtitel gegenüber den vom Staat beschäftigten Beamten. Sie sind zum aktuellen Schuldenstand aller deutschen Gebietskörperschaften – Bund, Länder und Gemeinden – hinzuzuaddieren. Aus diesem Obligo kann sich die Politik deshalb auch nicht so einfach herausstehlen. Doch genau dies ist vor dem Hintergrundder aktuellen Entwicklung in Europa nicht mehr ausgeschlossen und vielleicht schon bald sogar notwendig. Niemand kann vorhersagen, wie teuer den Steuerzahler die viele, viele Milliarden schwere Staatsschuldenkrise in Europa am Ende noch kommen wird. Die Bundesrepublik Deutschland steht mit Milliardenbeträgen für Bürgschaften und Kredite ein, die unter ungünstigen Umständen fällig werden können. Schlimmstenfalls kann dadurch auch die Bundesrepublik an den Rand der eigenen Zahlungsunfähigkeit geraten. »Die Politiker setzten mit dieser Politik unsere Rente aufs Spiel«, sagt etwa Hans-Werner Sinn, der Chef des ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts in München, zum Verhalten der Bundesregierung in der europäischen Staatsschuldenkrise. Vielleicht hätte er besser sagen sollen: Die Politiker setzen zuallererst die Altersversorgung ihrer Staatsdiener aufs Spiel. Denn darum wird es als Erstes gehen, wenn Deutschland finanziell vor einem Scherbenhaufen stehen sollte – und erst danach um die Rentenversicherung.
Selbst wenn die Steuereinnahmen für die Bundes- und Länderfinanzminister nach der Finanz- und Wirtschaftskrise auch im Jahr 2012 und den Folgejahren auf Rekordniveau sprudeln sollten – an der Notwendigkeit zu sparen ändert dies nicht viel. Die ausufernde Staatsverschuldung muss begrenzt werden. Kein verantwortlich handelnder Politiker und keine Partei kann sich dem entziehen. Auch nicht die FDP mit ihren vielen Anläufen und Versuchen, die Steuern in Deutschland zu senken. Nicht nur die Ratingagenturen und die Finanzmärkte treiben die Politik vor sich her. Der Zug der staatlichen Ausgabenpolitik fährt seit langem in die falsche Richtung.
Wo aber die Gefahren für die Staatsfinanzen und damit die Nöte der Politiker immer größer werden, hat die Politik stets und zuallererst den Fokus auf den Öffentlichen Dienst gerichtet: In Griechenland wurden als Folge der Staatsschuldenkrise zuerst die Gehälter im Öffentlichen Dienst gekürzt – um zweistellige Prozentpunkte, neben einem generellen Einstellungsstopp, der Streichung von Sonderzulagen wie Weihnachts-, Urlaubs- und – man glaubt es kaum – dem Ostergeld. Parallel dazuwurden natürlich auch die Pensionen für Ruhestandsbeamte reduziert. Im durch die Bankenkrise schwer getroffenen Irland ist als eine der ersten Maßnahmen der 18 Milliarden schwere Pensionsfonds für die Beamten im Öffentlichen Dienst aufgelöst worden, um die Notlage des staatlichen Haushalts finanziell zu bewältigen. Auch in Deutschland ist dies, wie wir noch sehen werden, bereits geschehen – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Spanien und Portugal kürzten in der Staatsschuldenkrise als Erstes bei den Staatsbediensteten: Die Einkommen spanischer Beamter wurden bereits 2010 um fünf Prozent gekürzt, im Jahr 2011 stand für sie eine Nullrunde an. Außerdem
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