Die Peperoni-Strategie
Erfinder Laurence J. Peter – spricht hier nüchterner vom »Aufstieg bis zur Inkompetenz«, die ein 59-jähriger Vorstand auf folgenden Punkt brachte:
»
Ich bin mehr, als ich kann.«
Diese Zerrissenheit zwischen Erfolgsträumen und Untergangsängsten nennt man in der Psychologie »Dissonanz«. Je stärker die Zerrissenheit, desto größer die persönliche Reizbarkeit, desto unberechenbarer auch die Personalführung! Dissonanz nagt an der Psyche. Schlafstörungen, Magengeschwüre oder Essstörungen (besonders bei Frauen) können die Folge sein. Verschärfend kommt hinzu, dass Erfolgsmenschen diese Schwächen nicht zugeben dürfen. Denn Ängste und Unberechenbarkeiten sind Gift in einer Branche, die sich Kontinuität und persönliche Stärke auf die Fahnen geschrieben hat. Psychische Konflikte oder Niedergeschlagenheit haben keinen Platz in der Welt des Erfolges. Diese zutiefst menschlichen Stimmungen zählen zum Repertoire der Verlierer.
Misserfolg oder Konkursgefahr machen sich auf vielen Ebenen bemerkbar. Weggefährten grenzen sich langsam ab, Einladungen zu Wirtschafts- und Pressebällen bleiben aus. Nicht, dass man immer gerne zu diesen gesellschaftlichen Ereignissen gegangen wäre, aber sie sind doch ein Zeichen, dass man dazugehört. »The higher you climb the deeper you fall« ist eine Binsenweisheit, die sich den Erfolgreichen psychisch eingebrannt hat. Dabei geht es nicht nur um Ängste vor dem Jobverlust, sondern auch die eigene Identität ist bedroht. Denn was bleibt von einem Erfolgsmenschen übrig, wenn der Erfolg |73| ausbleibt? Daniel Goeudevert sagt darum, Manager haben besonders Angst vor »dem Verlust ihrer Funktion, ihrer Macht, weil da ihre ganze Existenz dranhängt … Wenn er abgesägt wird, dann ist das nicht nur ein Imageverlust, das wäre ja nicht so schlimm, sondern ein Identitätsverlust.«
Diese Angst bildet die Grundlage für ein lebenslanges Spannungsverhältnis, das viele Führungskräfte zu immer neuen Leistungen antreibt. Aber es kostet auch Kräfte, denn die Angst, den komfortablen Lebensstandard zu verlieren, ist stets im Hintergrund. Das macht Druck, gerade in einer Gesellschaft, die Besitzstandwahrung zum Minimalziel erkoren hat. Das macht hart, nicht nur gegen sich selbst, sondern auch gegen andere.
Um zu überleben und sich zu behaupten, greifen viele Führungskräfte zum Mittel der Aggression. Aggression tritt im Wettbewerb in der Regel als Reaktion auf eine wirkliche oder auch nur vermutete Minderung der eigenen Macht in Erscheinung. Im Berufsleben, besonders im Management findet sich am häufigsten die »instrumentelle Aggression«, die kein aggressives Ziel verfolgt, aber zum Beispiel die Schädigung »freigesetzter« Mitarbeiter als Nebenprodukt billigend in Kauf nimmt. Das ist schmerzhaft für die Opfer derartiger Entscheidungen, aber immer noch besser als die »feindselige Aggression«.
Damit einher geht ein heimlicher Persönlichkeitszug der Spitzenkräfte: ihre Liebe zur strukturellen Gewalt. Hierarchie ist für sie eindeutig schön – wenn sie oben stehen. Hier kann man sogar die eigenen unerfreulichen Charakterzüge ausleben. Aber natürlich nicht in primitiver Form. Führungskräfte lehnen Gewalt sogar ab. Und dennoch ist da die Lust an der (nicht nur positiven) Aggression, am subtilen Ausleben von Machtspielen, denn Führungskräfte leben unter Hochdruck, unter Zeitmangel, unter Anpassung. Da ist die klammheimliche Freude über hintersinnige Strategien und raffinierte Schachzüge geradezu |74| wohltuend. Sie ist Entlastung und Entspannung zugleich. »Menschenschach ist Balsam für die Seele«, nannte das ein 53-jähriger Vorstand nach einem Aggressionsseminar.
Das klingt kalt, ist jedoch eine notwendige Überlebensstrategie in einer harten Welt. Erfolgreiche Führungskräfte, die an der Spitze bleiben wollen, brauchen darum Freude an strukturellen Machtspielen und strategisches Geschick. Kluges Taktieren hält die Gegenspieler dabei auf Distanz. Topkräfte schaffen geschickt Abhängigkeiten und bieten sich als pragmatische bis visionäre Wirtschaftsführer an. Sie geben Mitmenschen überzeugend die Illusion von Sicherheit und Halt. Sie stellen sich als Bollwerk des Wirtschaftsstandorts, als Garanten gegen die Krise dar. Sie sind selbstkontrollierte Strategen mit genauen Methoden und Zielvorstellungen. Und sie haben ein geradezu sinnliches Verhältnis zu dieser Gestaltungsfreiheit.
Insgesamt gesehen ist es ideal, wenn Führungskräfte über 80 Prozent
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