Die Peperoni-Strategie
Direktor war darüber sehr zufrieden. Er bat das Sekretariat – nach Beendigung des Gesprächs –, die Akten wieder wegzuschließen. Er hatte sie eh nicht wirklich gebraucht. Sie waren – mit seinen Worten – »nur Gesprächsdekoration, um meinem Mitarbeiter die Übernahme der Aufgabe zu erleichtern«.
Wer die Schwächen der Kollegen oder Vorgesetzten nicht kennt, läuft Gefahr, von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten. Das Ergebnis: Man gilt als unsensibel und wird nicht gefördert! Es gilt der alte Leitsatz: Wissen ist Macht, und Nicht-Wissen wird selten als Entschuldigung akzeptiert.
Das musste auch ein aufstrebender 32-jähriger Macher aus der Textilbranche erleben, der zu seiner Überraschung seinen Platz im Leitungsstab verlor. Der Mann ist verheiratet und hat zwei Kinder, denen er sich vorbildlich am Wochenende widmet. Montags erzählt er gerne und ausgiebig von diesem privaten Glück – auch im Beisein seiner Chefin. Die hat aber leider nicht nur eine furchtbare Scheidung hinter sich, sondern auch eines ihrer Kinder an ihren Mann »verloren«. Dieser Verlust quält sie, und das offen zelebrierte Familienglück des Aufsteigers ist ihr unerträglich. Es reißt Montag für Montag ihre Wunden auf. Schließlich reicht es ihr: Der Mann
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wird »outgesourced«. Sie ist über ihre Entscheidung nicht besonders glücklich, findet sie aber besser als den vorherigen Zustand. Schade, dass unser Aufsteiger von diesem Schmerzpunkt seiner Chefin nichts wusste. Er hätte sich im Kollegenkreis ruhig einmal schlau machen sollen. Da war ihr Trennungsdrama über Wochen informelles Thema gewesen!
Die vierte Analyse: Ihre Biss-Bremsen
Warum ist man manchmal zu höflich? Warum lässt man sich abspeisen und bloßstellen? Warum geht man nicht selbstbewusst dagegen an, sondern frisst den Ärger in sich hinein oder quält am Abend Partner, Kinder, Haustiere? Warum wehrt man sich nicht gegen unberechtigte Kritik?
Hinter dieser Zurückhaltung steckt häufig Angst – und diese wirkt wie eine Biss-Bremse. Man fürchtet sich vor den Konsequenzen, die folgen könnten, wenn man »das Maul aufreißen« würde. »Als Dame sollte man das nicht tun«, so die Ausrede einer Chemie-Managerin, die es mit diesem kultivierten Selbstverständnis ihren Gegenspielern leicht macht. Die Biss-Bremse impliziert, dass Kritik und Gegenwehr die Eigenschaft eines Bumerangs innehat, der weit hinausfliegt, nur um am Ende wieder den eigenen Kopf zu treffen! In der Fantasie malen sich diese Zeitgenossen Konsequenzen aus, die so verletzend sind, dass sie lieber den Mund halten, als derart schmerzhafte Reaktionen zu provozieren. Das heißt, die Biss-Bremse hat ihren Grund in etwas, vor dem man am liebsten die Augen verschließen möchte. Die Biss-Bremse fragt
nach der Schuld, die man absichtlich oder unabsichtlich im Leben auf sich geladen hat;
|121| nach den Fehlern, die man im Leben bewusst oder unbewusst begangen hat und die man bereut;
nach den Fehlentscheidungen, die man getroffen hat und mit deren bösen Folgen man nun leben muss;
nach den Verletzungen, die man erlitten oder anderen zugefügt hat und unter denen man bis heute leidet.
Der berühmte Psychodramatiker Jakob L. Moreno spricht von »unerledigten Geschäften«, die unsere Psyche beschäftigt halten und die man erst dann abschließen kann, wenn man seinen Frieden damit gemacht hat. Vielleicht durch eine Entschuldigung, vielleicht durch eine Wiedergutmachung, vielleicht durch ein persönliches Gespräch oder einen Brief, mit dem man versucht, wieder ins Reine zu kommen. »Unerledigte Geschäfte« sind etwas sehr Persönliches, und ihr Rumoren in der Psyche schüchtert ein und bremst aus. Aus Angst davor, dass diese wunden Punkte in einer beruflichen Auseinandersetzung berührt werden, lassen viele Menschen ihre notwendige Kritik lieber unter den Tisch fallen. Das ist menschlich verständlich, aber ärgerlich, denn diese Passivität und Zurückhaltung wird schnell als Durchsetzungsschwäche ausgelegt.
Leider zu Recht! Darum ist es gut zu wissen, dass es ein probates Mittel gegen die Biss-Bremse gibt, das Ihnen hilft, angstfrei in Konflikte zu gehen, bei denen eindeutig ist, dass es krachen wird. Dieses Gegenmittel entfaltet seinen Charme allerdings erst auf den zweiten Blick. Es verlangt die schonungslose Beantwortung folgender Frage: »Welches Feedback würde Sie aus tiefster Seele verletzen?«
Die Antworten auf diese Frage sind sehr persönlich und vielfältig. Äußerst
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