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Die Peperoni-Strategie

Die Peperoni-Strategie

Titel: Die Peperoni-Strategie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Weidner
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schmerzhaft kann es sei, wenn jemand
die Schuld anspricht, die man sich gegenüber den eigenen Kindern aufgeladen hat (Rabenmutter-Syndrom);
|122| die Konflikte aufrührt, die man mit den eigenen Eltern nie ausgetragen hat – und die einen nach wie vor belasten;
äußere Merkmale und Makel verhöhnt, die einen schmerzen – weil man zu dick oder zu dünn ist, eine Missbildung hat oder unter dem Älterwerden leidet;
auf persönliche Defizite (wie Legasthenie) hinweist, die sich zum Komplex ausgewachsen haben.
    Ein harmlos klingendes, aber in seiner Wirkung beeindruckendes Beispiel bietet uns ein renommierter Politikwissenschaftler:
     
    Der war mit 17 unsterblich in ein Mädchen verliebt, das nach seinen Angaben »drei Nummern zu groß« für ihn war. Zu seiner Freude erwiderte das Mädchen die Liebe, machte aber nach drei Monaten mit ihm Schluss. Unvermittelt sagte sie – und diese Worte sollten unserem Mann lange zu schaffen machen: »Ich mache Schluss mit dir – wegen deiner Wurstfinger!« Sein Entsetzen über ihren abrupten Schlussstrich war groß und die Langzeitwirkung des Kommentars erstaunlich: Bei der mündlichen Abiturprüfung, bei Referaten im Studium und später bei Kongressvorträgen verschränkte er sein Finger, legte sie auf den Rücken oder unter die Tischplatte, sodass niemand einen Blick auf sie erhaschen konnte. Er berichtete sogar von der Präsentation seines ersten Buches, bei der er sich nicht vor Verrissen fürchtete. Angst habe er nur vor folgender Rückmeldung eines imaginären Kritikers gehabt: »Sie haben ein ausgezeichnetes Fachbuch geschrieben. Große Klasse. Aber erstaunlich ist, dass es mit dem Schreiben so geklappt hat – bei Ihren Wurstfingern!« Erst die Biss-Analyse befreite ihn mit Mitte Dreißig von diesem Komplex! Spät, aber nicht zu spät!
     
    Die ehrliche Biss-Analyse – und das sollte Sie nicht irritieren – schwächt im ersten Moment. Sie sehen wie unter dem Vergrößerungsglas die eigene Verletzlichkeit. Das schmerzt, und Sie |123| fühlen sich klein und zerbrechlich. Aber dann gilt es, den Spieß kognitiv umzudrehen. Jetzt stellen Sie Ihr Denken sozusagen auf den Kopf: Beziehen Sie aus Ihrer größten Wunde Stärke! Wenn Sie sich vor Augen halten, das diese Anklage, diese Unterstellung, die Verletzung das Schlimmste ist, was Ihnen verbal angetan werden kann, dann werden Sie diese Erkenntnis als ungemein befreiend empfinden. Schlimmer kann es nicht mehr kommen. Die Höchststrafe, das Gemeinste, das Ihnen zugemutet werden kann, ist damit bekannt – und verliert seinen Schrecken! Sie haben im Auge des Kritik-Hurrikans das furchtbarste Feedback gesehen, das es für Sie geben kann. Das war es. Mehr gibt es nicht. Das Faszinierende daran ist: Haben Sie diese Erkenntnis gewonnen, geht die Angst vor kritischen Zurechtweisungen verloren! Das hat sehr wohltuende Konsequenzen: Künftig werden Sie sich konfliktbeladenen Situationen im Beruf sehr viel entspannter stellen. Sie haben das Schlimmste bereits hinter sich. Alles was nun kommt, sind Kinkerlitzchen. Daher empfehle ich Ihnen: Wenn Sie schon am Morgen wissen, dass der Tag viel Ärger bereithält, dann stellen Sie sich vor einen Badezimmerspiegel und sagen Sie laut und deutlich: »Komm Tag, gib es mir! Mach mich fertig! Immer rein in meine Wunden, die ich kenne und die so richtig schmerzen!« Nach dieser – zugegebenermaßen – etwas masochistischen Prozedur gehen Sie gestählt ins Büro. Der Konflikt, die Gemeinheiten können kommen. Ihre Gegenspieler geben sich richtig Mühe, Sie zu konfrontieren – aber die entscheidenden Schwachpunkte treffen sie nicht. Die geäußerte Kritik prallt an Ihrer Gelassenheit ab. So richtig nehmen Sie den Konflikt auch gar nicht wahr, weil Sie auf die Höchststrafe warten – aber die erfolgt nicht! Darüber sind Sie fast ein bisschen enttäuscht: Von Ihrem Kontrahenten hätten Sie mehr erwartet! Ihre Gegenspieler irritiert solch stoische Gelassenheit – sie wissen ja nicht, dass sie mit |124| ihrer Kritik daneben treffen. »Die hat Einstecker-Qualitäten«, wird gemunkelt, und das stimmt!
    Wer seine tiefsten Geheimnisse und Verletzlichkeiten kennt, der kann Kritik gelassen entgegensehen.
    Ziehen Sie sich zurück und überlegen Sie in schonungsloser Offenheit gegenüber sich selbst: Was würde Sie am stärksten verletzen? Gibt es einen Konflikt in der Vergangenheit, der Sie immer noch belastet, weil Sie Schuld auf sich geladen haben? Gibt es eine Situation, die Ihnen immer noch

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