Die Perlenzüchterin
vor. Wochenlang hatten sie für die rasant choreographierte Modenschau geprobt.
Erst wenn man genauer hinsah, fiel auf, dass die Kleidung der Models fast ausschließlich aus gebrauchten Materialien bestand. Ein wallendes Ballkleid aus Plastiktüten. Eine Pompadourfrisur türmte sich zu einem Kronleuchter, der aus leeren Klopapierrollen bestand. Nachdem die Zuschauer sich vom ersten Eindruck dieser fantastischen Kostüme erholt hatten, entstand ein Wettbewerb, möglichst schnell den Plunder zu identifizieren, der verwendet worden war: Bambusstäbe und Kleiderbügel, Jalousien und Milchkartons, laminierte Bougainvilleenblüten, Blechdosen und Zeitschriften. Ein umwerfendes Kleid bestand ausschließlich aus Flaschendeckeln. Lily wandte sich an Sami und versuchte, die speziell für die Modenschau komponierte Musik zu übertönen: »Das taugt auch für die Oper in Sydney!«
»Erstaunlich!
Strictly Ballroom
trifft auf den
Mardi Gras
«, stimmte Sami zu. »Beschreiben kann man das nicht, es klänge irgendwie billig, aber es sieht toll aus. Ich frage mich, wie sie darauf gekommen sind!«
Nach dem Finale erklärte ihnen Pauline, die Modenschau habe als bescheidene Bühne für einheimische Talente begonnen, die keine Gelegenheit hatten, ihr Können zu zeigen. Das Konzept fand Anklang und hatte nun viele Menschen aller Altersstufen und Interessensgebiete zusammengebracht. Sie alle hatten gemeinsam diese außerordentlich unterhaltsame, ausgefallene Tanz-, Musik- und Kostümschau auf die Beine gestellt.
»Ich finde, man sollte eine landesweite Veranstaltung aus der ›Worn Art Show‹ machen. Das ist doch auch was für andere Städte!«, meinte Lily. »Ich wünschte, Dale wäre mitgekommen.«
Pauline vermutete, dass Lily sich ein wenig einsam fühlte und daher Dale vermisste, da sich immer mehr jüngere Leute um sie scharten und beschlossen, dass die Nacht noch jung war. Sie bestand darauf, dass Lily und Palmer sich ihnen anschlossen.
»Das lässt hoffen, wenn sie uns noch so großzügig einbeziehen«, bemerkte Palmer zu Lily, als sie sich nebeneinander auf den kurzen Weg zum Pub machten. »Sie sind ganz offensichtlich gern mit der jungen Truppe unterwegs?«
Lily fühlte sich wohl neben ihm. »Jede Minute mit meiner Tochter ist es mir wert, auch wenn ich sie mit anderen teilen muss. Und irgendwie kommt es mir auch vor, als bekäme ich bei solchen Gelegenheiten eine große Vitaminspritze. Es scheint mir gut zu tun.«
»Das ist eine der Freuden des Universitätslebens, wenn man das Glück hat, die richtige Sorte enthusiastischer Studenten zu unterrichten. Der heikle Teil besteht darin zu erkennen, wann man ein bisschen auf Abstand gehen muss.«
»Nur zu wahr, nehme ich an. Ich habe in letzter Zeit nicht viel in der Richtung erlebt, deshalb will ich den Augenblick auskosten«, versetzte Lily.
Als sie sich dem Roebuck Hotel näherten, beendete Tim Hudson ein Gespräch mit Pauline und kam nach hinten zu ihnen. »Ich bin überrascht, dass Dale heute Abend nicht bei dir ist, Lily. Ich hätte gern gewusst, wie er deine Pläne aufnimmt.«
»Er weiß es noch nicht«, erwiderte sie peinlich berührt. »Es war einfach nicht genug Zeit, um ihm alles im Einzelnen zu erzählen. Er war ein paar Tage weg, um außerhalb der Stadt ein mögliches Bauprojekt in Augenschein zu nehmen. Und heute Abend … Dale hat sowieso nicht viel für Recyclingmode übrig, er sagt, davon hat er genug gesehen.«
»Keine Sorge, ich bin sicher, er wird das alles in den nächsten Tagen mitbekommen, ehe du nach Perth fliegst«, meinte Tim, als sie Seite an Seite hineingingen. »Was möchtet ihr trinken?«
»Ich bestehe darauf, Schampus für unsere Ecke zu bestellen«, sagte Palmer, als sie sich an einem Tisch niederließen. »Das ist für mich die erste Gelegenheit, auf Sie beide und das Unternehmen anzustoßen.« Damit ging er zur Bar.
Lily machte einen Versuch, sich an dem zwanglosen Geplauder zu beteiligen, doch ihr machte noch das Telefonat zu schaffen, bei dem sie Dale eingeladen hatte, mit ihr zur Modenschau zu gehen. Sie hatte gehofft, dabei würde sich eine Gelegenheit ergeben, über die Perlenfarm zu sprechen. Doch er hatte keine Zeit. Angeblich musste er ein Angebot für das Bergwerksprojekt abgeben. Die Zurückweisung hatte ihr wehgetan.
»Pfeif auf ihn«, rief Sami, als Lily es ihr erzählte. »Es ist dein Geschäft. Kümmere dich nicht darum, was er denkt.«
Lily ließ das Thema fallen. Sie wusste, dass sie von Sami kein Verständnis für
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