Die Perlenzüchterin
die Perlen werden deine Investoren umwerfen! Du kannst mit gutem Recht sagen, dass sie von deiner Farm stammen, auch wenn das noch die Star of the Sea zu Tyndalls Zeiten war!«
»Was wolltest du gerade sagen?«, hakte Lily nach. »Etwas über Dale?«
»Nein, nichts. Das spielt jetzt keine Rolle.«
»Rosie, verschweig mir nichts! Du hast es doch selbst gesagt: Jeder tratscht hier, ich werde es sowieso erfahren.«
»Ich war mit den Mädels vor Chinatown Music Kaffee trinken, und Dale fuhr mit einer jungen Frau im Auto vorbei.«
»Das kann irgendwer gewesen sein. Eine Freundin von Simon.«
Ȁhm, nein. Gaye und Wendy haben sie im
Matso’s
zu Abend essen sehen. In trauter Zweisamkeit. Sie wirkte jünger als Sami.«
Lily schwieg.
»Geht’s dir gut? Macht es dir was aus?«
Sie dachte kurz darüber nach. »Nicht wegen mir. In gewisser Weise erleichtert es mir die Sache sogar. Ich werde nichts davon sagen, keine Sorge. Aber für Dale tut es mir Leid.«
»Was? Warum? Menschenskind, Lily!«
»Der dumme Kerl hat sich immer über das Syndrom ›ältere Männer mit jungen Frauen‹ lustig gemacht. Er hat gesagt, zusammen mit ihrer Würde verlieren sie auch ihr Geld. Und jetzt macht er das selbst.«
»Glaubst du nicht, dass er das absichtlich macht? Um dich aus der Fassung zu bringen? Er muss wissen, dass das irgendwann rauskommt. Ich meine, warum in der Öffentlichkeit zu Abend essen?«
»Was weiß ich? Und ich werde nicht danach fragen. Jetzt ist es zu spät, um meine kleine Rede zu ändern. Okay, ich gehe dann. Wünsch mir Glück mit den ehrenwerten Investoren!«
»Mach ich. Und viel Glück bei Dale.« Rosie sah ihr nach. Dann ging sie in Biddys altes Zimmer, in dem Lizzie auf dem Boden lag und völlig versunken malte, die Zunge im Mundwinkel.
»Was malst du denn, mein Schatz?« Rosie bückte sich und betrachtete die seltsamen Figuren mit den Teddygesichtern. »Wo hast du die gesehen, Lizzie?«, fragte sie leise.
»Hier, in Biddys Zimmer. Die tanzen nachts. Und spielen im Garten lustige Spiele.«
»Das sind schelmische kleine Geister. Du hast Glück, dass du sie sehen kannst.« Rosie betrachtete das Bild. Ob Lizzie die Rai-Geister nun gesehen hatte oder nicht – es war unverkennbar, dass ihre Tochter hervorragend zeichnen konnte.
Dale war höflich. Er begrüßte Lily mit einem freundschaftlichen Kuss auf die Wange und rückte ihr den Stuhl zurecht, als sie sich im Teahouse Café zu ihm setzte. »Der passende Ort«, bemerkte Lily. »Ich hole nämlich gleich die Investoren ab und zeige ihnen die Stadt.«
»Und die Farm?«
»Die natürlich auch. Da haben sie schließlich ihr Geld hineingesteckt.«
»Wie läuft’s denn?«
»Mal gut, mal schlecht, mal ist es der reine Wahnsinn. Wir haben alle Hände voll zu tun.«
»Erzähl mir davon!«
»Möchtest du das wirklich, Dale, oder bist du nur höflich?«
»Komm schon, Lily, glaub mir doch. Ich mag ja am Anfang mit dieser Idee nicht einverstanden gewesen sein, aber ich bewundere dich dafür, dass du durchhältst.« Er nahm die Karte von der hübschen Kellnerin entgegen, einer skandinavischen Rucksacktouristin im Kimono.
»Und wie ein Pferd schufte. Als ich sagte, dass ich mit Hand anlegen will, habe ich mir nicht vorgestellt, dass ich Kisten und Drahtgestelle mit Muscheln durch die Gegend schleppe.« Sie betrachtete wehmütig ihre Fingernägel.
»Ist es das wert? Bist du zufrieden, dass du mich für eine heruntergewirtschaftete Perlenfarm und ein paar Durchgeknallte verlassen hast?« Er lächelte schwach.
»Dale! Das entspricht nicht der Wahrheit.« Sie musste daran denken, wie rasch er sich offenbar mit einem jungen Mädchen getröstet hatte, aber das behielt sie für sich. Lily entschied sich für Zitronenmyrtetee. »Und ich habe dich nicht verlassen, wie du es nennst. Es ist bloß so, dass wir nicht in die gleiche Richtung reisen, nicht die gleichen Träume haben. Ich möchte, dass wir auf jeden Fall Freunde bleiben. Alles andere wäre albern, findest du nicht?«
Er antwortete nicht, sondern gab die Bestellung auf: »Einmal Zitronenmyrte und einen Jasmintee mit Honig.« Lily war überrascht, dass er Tee statt Wein trank, sagte aber nichts. Er blickte Lily an. »Wozu sind Freunde da?«
»Sie unterstützen sich gegenseitig, sind füreinander da, genießen es, Ideen miteinander zu teilen, die Gesellschaft des anderen …«
Dale hob die Hand. »Schön und gut. Aber ich finde das nicht sehr aufregend. Mir gefiel der Sex, und dass ich mit einer
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