Die Perlenzüchterin
Untersuchung für kommerzielles Tauchen hinter sich hat, Brustkorb und Knochen geröntgt sind, man zweihundert Meter unter vier Minuten geschwommen ist, eine haarige schriftliche Prüfung mit technischen und medizinischen Fragen bestanden und am Ende die knifflige praktische Prüfung geschafft hat.«
»Die worin besteht?«, fragte Sami.
»Man steckt in einer Kammer, die erhitzt wird, bis man im eigenen Saft kocht, und dann wird sie abgekühlt, bis einem die Zehen abfallen. Sie testen, wie man sich bei Stickstoffnarkose verhält – du darfst dabei nicht den Überblick verlieren, sonst bist du eine Gefahr für dich selbst und für andere. So was eben.«
»Ich verstehe, die Durchfallquote ist hoch«, meinte Sami.
Chris grinste und hob sein Bier. »Manche von uns sind fürs Tauchen geschaffen, andere können besser in die Tastatur hauen. Ich weiß, was ich lieber tue.«
»Du arbeitest auf einer der großen Farmen – würdest du auch für ein neues, kleines Unternehmen arbeiten?«
»Warum nicht? Man geht da hin, wo das Geld ist – wenn man was wert ist.«
»Ich würde gerne wissen, wie eine Perlenfarm arbeitet«, sagte Sami.
»Na, dann arbeite einfach mal auf einer«, entgegnete Chris. »Viele Mädchen mögen das Leben dort. Es gibt da alle möglichen Jobs, aber man muss in Form sein und bereit, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen.«
Sami genoss das Gespräch mit Chris. Er war ein angenehmer Gesprächspartner, und sie versuchte, so viel wie möglich über seine Arbeit und die Situation der Perlenbranche herauszufinden.
Außerdem wollte sie auf Distanz zu Brian gehen. Sie hatte Pauline bereits signalisiert, dass Brian ein Langweiler sei und sie allein nach Hause laufen wollte; die Moonlight Bay Apartments waren fast nebenan. Brian hatte unterdessen sein Bier geleert und das nächste ebenfalls zur Hälfte heruntergeschüttet. Nun schaute er den Musikern zu, die gerade Pause hatten. Zwei von ihnen hatten sich zu der Gruppe am Tisch gesellt, weil sie einige der Leute kannten, darunter Dales Sohn Simon.
Plötzlich kam es am anderen Ende des Tisches zu einem Handgemenge. Brian stritt mit dem Gitarristen, einem Aborigine, und schrie: »Er hat mich verdammt noch mal geschubst. Jetzt habe ich mein Bier verschüttet. Das Arschloch.«
»Du bist besoffen, Brian!«
»Dieser Scheißkerl hat mich mit voller Absicht geschubst!«
Eine hübsche Japanerin tupfte hastig Bier von ihrem T-Shirt. Den nächsten Wortwechsel konnte Sami nicht hören, aber irgendwer wollte den Musiker wegreißen. Der streckte den Arm aus und traf Brian, welcher seinerseits ausholte.
»Allgemeines Chaos«, verkündete Chris, sprang auf und nahm Sami am Arm. »Komm weg.«
Doch im Nu war alles vorüber. Ein Mitarbeiter des Hotels sowie ein anderer Gast hatten rasch Ruhe und Ordnung hergestellt. »Spielt einfach weiter«, wies der Hotelmitarbeiter den Musiker an. »Das wäre jetzt das Beste.«
Der andere Mann beruhigte Brian und fragte dann die Japanerin: »Alles in Ordnung?«
»Alles in Ordnung«, erwiderte sie. »Nichts passiert.«
Sami wandte sich an die Frau und stellte sich vor: »Hi. Ich bin Sami, und das ist Chris. Möchtest du dich zu uns setzen?« Sie war offenbar allein da. Vielleicht eine Rucksacktouristin?, dachte Sami.
»Danke, gern. Ich bin Mika.« Sie lächelte scheu.
Als Chris und Sami Mika mit an den Tisch brachten, erkannte Sami zu ihrer Überraschung den Mann, der bei dem Streit eingeschritten war: Tim Hudson.
Er nickte ihr zu, da er sie ebenfalls erkannt hatte, und setzte sich neben sie. »Eindrücke von der Lokalkultur gesammelt?«, fragte er grinsend.
»So könnte man’s nennen. Bis vor ein paar Minuten war es ein toller Abend. Ich wollte sowieso bald gehen.«
»Bleib noch ein bisschen, Sami, lass uns noch mal tanzen«, sagte Chris und sah Tim fest in die Augen.
»Tim ist ein Freund meiner Mutter«, begann Sami, aber als sie in Tims Augen eine Warnung aufblitzen sah, beließ sie es dabei.
Sie begriff, dass er sein Interesse daran, sich in eine Farm einzukaufen, geheim halten wollte. »Chris ist Perlentaucher und hat gerade ein bisschen Erholungsurlaub. Und das ist Mika. Bist du auch im Urlaub hier?« Sami war froh über diese Möglichkeit zur Ablenkung.
»Ich habe mir längere Zeit freigenommen. Ich recherchiere ein bisschen. Ich unterrichte Geschichte«, sagte die junge Japanerin, »und ich interessiere mich für die Geschichte der Perlenfischerei.«
»Ich habe Sami für die Perlenbranche interessiert. Ich
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