Die Perlenzüchterin
poetisch. Seit wann bist du hier, und wann kann ich dich sehen?«, fragte Sami. »Es gibt viel zu besprechen. Sind Bridget und Goonamulli auch da?«
»Nein. Bridget ist in Perth an der Uni. Goonamulli ist in Derby, er plant einen Angeltrip – sehr vernünftig. Ich habe auch darüber nachgedacht. Ich angele gern.«
»In Derby?«
»Nein, hier. Hast du schon die besten Barramundiplätze gefunden?«
»Leider nein. Palmer, ich kann es kaum erwarten, dich zu treffen. Ich muss zur Historischen Gesellschaft und ein paar Zeitungsausschnitte zurückgeben.«
»Großartig. Dort treffen wir uns.«
Val, die normalerweise das Museum leitete, hatte den Vormittag frei, und so begrüßte Sami eine fröhliche Ehrenamtliche, die sich als Bette vorstellte.
»Ah! Ich habe gestern Morgen am Town Beach Ihren Mann Kevin kennen gelernt. Er sagte, sie würden durch Australien reisen und hätten hier Halt gemacht.«
»Wir wollten nur den Winter über bleiben, und jetzt können wir uns nicht vorstellen, wieder abzureisen. Und Sie müssen Sami sein! Ich habe Ihre Mutter flüchtig beim Bradley Cup kennen gelernt.«
»Meine Mutter kommt ziemlich rum. Wie haben Sie mich erkannt?«
»Ihr Freund hat Sie beschrieben: hübsch, groß, braune Augen, helles Haar und ein nettes Lächeln. Ich konnte Sie nicht verwechseln.«
»Ach, das war aber nett von ihm. Wo ist Dr. Palmer?«
»Er wollte sich umsehen. Ich glaube, Sie finden ihn im Ausstellungsraum.«
Sami schlenderte durch das aus allen Nähten platzende Museum, das ihr nun schon vertraut war. Jean, die Bibliothekarin, erlaubte ihr, ihren Computer zu benutzen und hinten im Büro zu arbeiten, doch wie ihre Mutter saß auch Sami lieber in dem kleinen Museum der Historischen Gesellschaft. Einige der Originaltagebücher und –papiere von Missionaren und frühen Siedlern waren für ihre Forschungsarbeit von besonderer Bedeutung. Sie bemerkte überrascht Mika, die sich durch alte Zeitungen arbeitete. »Hallo. Du auch hier? Hast du dich von gestern Abend erholt?«
Mika warf einen Blick auf ihre saubere Bluse. »Alles in Ordnung. Das war ein netter Abend! Danke, dass ihr mich einbezogen habt.«
»Keine Ursache. Wir laufen einander bestimmt noch oft über den Weg, wenn du einen Monat hier bist. Viel Spaß beim Lesen.«
Palmer begrüßte Sami mit einer flüchtigen Umarmung. »Also, Mädchen. Wie findest du die Lichter der Stadt?«
»Hin und wieder strahlen sie hell. Aber nicht so hell wie die Sterne über der Kimberley-Wüste.«
»Da kommen wir auch wieder hin, keine Sorge. Wo kriegen wir denn jetzt einen vernünftigen Tee? Bitte kein modisches Zeug wie Löwenzahntee!«
»Mit den richtigen Beziehungen bekommt man ihn sogar hier! Der Hof ist perfekt für ein entspanntes Gespräch.«
Wie sich herausstellte, überlegte Palmer später, war es zwar tatsächlich ein ruhiger Fleck, doch Sami war alles andere als entspannt. Sie rührte ihren Tee kaum an, während sie mit Palmer sprach und ihn über ihre Reaktionen auf Broome, die Begegnungen mit ihrer Familie, gesellschaftliche Ereignisse und das Ringen mit ihrer Dissertation ins Bild setzte. Er hörte ihr aufmerksam zu und verzichtete auf seine üblichen Scherze, weil er spürte, dass sie alle ihre angestauten Gefühle herauslassen musste. Schließlich deutete er auf ihre Tasse. »Lassen wir uns nachschenken. Mir scheint, du hattest hier eine ereignisreiche Zeit. Kein Wunder, dass du dich nicht richtig auf deine Arbeit konzentrieren kannst. Gehen wir deine Probleme eines nach dem anderen an. Was beschäftigt dich am meisten?«
»Diese Perlenfarmidee meiner Mutter. Kannst du dir das vorstellen? Sie ist über fünfzig. Sie hatte eine Karriere als Leiterin eines medizinischen Labors in Sydney, und jetzt will sie plötzlich all ihre Ersparnisse irgendeinem Klugscheißer anvertrauen, der sagt, er findet Investoren! Auf irgendeiner heruntergekommenen Perlenfarm an einem der entlegendsten Orte in Australien!«
»Und vermutlich auch einem der schönsten. Okay, betrachten wir das eingehender. Sie ist schon seit ein paar Jahren fasziniert von der Perlenbranche, seit sie herausgefunden hat, dass dein Ururgroßvater ein Perlenbaron war. Sie hatte eine einsame Kindheit und jetzt hat sie eine Familie gefunden«, er hob einen Finger, als Sami ihn unterbrechen wollte, »eine Familie, die sie annehmen und lieben kann. Sie hat hier einen engen männlichen Freund – kann man noch von einem ›festen Freund‹ sprechen?«
»Eigentlich nicht. Und das ist er
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