Die Perlenzüchterin
gerichtet.
»Hmm. Was halte ich davon?«, grübelte Sami. Sie wollte nicht zu viel von den Plänen ihrer Mutter oder ihren eigenen Eindrücken preisgeben. »Das hier ist mein erster Besuch auf einer Perlenfarm. Meine Mutter ist besessen von der Perlenfischerei.«
Serena lachte. »Verstehe. Sie machen sich Sorgen, dass Ihre Mutter den Reiz der Perlen romantisch verklärt. Wie Sie wahrscheinlich selbst sehen, ist Daves Laden nicht gerade eine Bedrohung für die großen Perlenfarmen.«
»Und wieso nicht? Was wissen Sie über die Star Two?«
Serena bückte sich nach einem winzigen toten Krebs. Sie wickelte ihn in ein Tuch, ehe sie ihn in die Tasche steckte. »Dave ist ein alter Perlenfarmer, ein alter Hase. Er hat die Farm in den 70 er-Jahren gekauft, nachdem sie aufgegeben worden war. Aber während es bei anderen bald richtig rund ging und sie zu großen Konzernen expandierten, hat er sich nur so dahingeschleppt. Natürlich war da auch ein bisschen Pech im Spiel. Ein anderer hätte vielleicht das Handtuch geworfen, aber er hat weitergemacht.«
»Soweit ich weiß, spielt das Glück in der Perlenbranche immer eine große Rolle.«
»Es gibt Glück und unglückliche Umstände, und dann gibt es noch eine Schlampe namens Glücksgöttin.« Serena zögerte, beschloss dann aber, das zu erklären. »Er hatte eine Frau, oder jedenfalls beinahe, ein weißes Mädchen, das es als Kellnerin nach Broome verschlagen hatte. Sie wollte sich einen reichen Engländer angeln. In einer Saison hatte Dave damals Glück und erntete ein paar richtig gute Perlen. Die beiden haben nie geheiratet, und sie ist mit den Perlen auf und davon. Der Rest ist Geschichte, wie man so sagt.«
»Der Ärmste.«
»Tja, eine Weile hat er sich mit Alkohol getröstet. Das macht er immer noch manchmal, aber er scheint es unter Kontrolle zu haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er je hier weggeht, außer in der Kiste. Er will auf keinen Fall zurück in die alte Heimat.«
»Interessant«, meinte Sami und fragte sich, wie Lily diese Neuigkeiten verdauen würde.
Serena hob den Blick und nickte in Richtung der Dünen. »Möchten Sie sich ein paar von meinen Arbeiten ansehen? Wir haben ein eigenes Lager oben hinter der Leiche. Ich wollte nicht auf der Farm leben, hier draußen ist man mehr für sich.«
»Haben Sie gerade ›Leiche‹ gesagt?«
Serena kicherte. »Ja. Sie macht die Einheimischen nervös. Donny und mir macht es nichts aus. In gewisser Weise ist sie der beste Wachhund, den man haben kann. Jedenfalls wenn die Leute von ihr wissen und abergläubisch sind.«
»An solchen Orten könnten Geister umgehen«, meinte Sami und betrachtete das einsame Ufer.
»Oder die Seelen der Toten. Viele Leute in Broome meinen, sie hätten den Geist Dampiers auf dem Achterdeck der
Roebuck,
seiner Fregatte, gesehen, wie er in einer nebligen Nacht über die Roebuck Bay segelt.«
Sami fragte sich, ob wohl auch schon jemand Tyndalls Geist an Bord der
Shamrock
gesehen hatte. Hier oben schien das möglich. Sie gingen zu den Dünen, wo wieder Grasbüschel und struppige kleine Büsche wuchsen. Serena deutete auf einen kleinen Baum, der auf dem Stumpf eines anderen Baumes wuchs. »Da drunter.«
Sami bewegte sich langsam darauf zu, doch dann blieb sie erschrocken stehen. Die ausgebleichten Knochen eines menschlichen Skeletts waren auf dem Sand ausgebreitet. »Wer ist das?« Sie merkte, dass sie flüsterte.
»Es soll ein junges weißes Mädchen gewesen sein. Jemand aus einer der ersten Siedlerfamilien vielleicht, eine Schiffbrüchige, wer weiß? Es ist zu lange her.«
Sami setzte sich und blickte aufs Meer hinaus. Die einsame Szene rührte sie unsagbar an. Serena hockte sich neben sie. »Offenbar hat der Wind das Skelett im Lauf der Zeit freigelegt. Niemand will es verlegen oder auch nur berühren.«
»Wie traurig.« Sami dachte an die Gräber am Town Beach. »Man vergisst leicht, wie viele Menschen damals an Orten wie diesen gestorben sind. Vergessen. Das nimmt der Vergangenheit einiges an Romantik.«
Serena stand auf. »Unser Lager ist hier oben.«
Es bestand aus einem Wohnwagen mit einem Schatten spendenden Vordach und einer Hütte mit drei Wänden und Strohdach – Serenas Atelier. Am Reisigzaun hatte sie ihre Bilder aufgehängt. Sami war sofort hingerissen von ihrer schlichten, aber sinnlichen Schönheit. Landschaften, erschaffen aus der realen Landschaft, die sie abbildeten, so beschrieb Serena ihre Werke.
»Serena, die sind großartig. Sie sollten sie meiner
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