Die Perlenzüchterin
früh arbeiten wir noch mehr Papiere durch – Aufzeichnungen, Verkaufszahlen, Prognosen, Kosten, Ausgaben. Wie viel investiert werden muss, und in was.«
»Du hast von so was doch gar keine Ahnung!«
»Hey, Mädchen! Lass mich nicht auffliegen. Ich lerne. Du würdest staunen, was ich mir schon alles angeeignet habe.«
»Was ist mit deinem Freund Tim? Was hat er dir erzählt?«
»Ich verlasse mich auf seine Sachkenntnis. Ich hoffe, dass wir zusammen herausfinden, ob dieser Betrieb rentabel sein kann. Aber ich hatte noch keine Gelegenheit, Tims Aufzeichnungen über die Farm durchzusehen.«
Sami wusste nicht, ob es wahnsinnig, leicht wahnsinnig oder brillant wahnsinnig von ihrer Mutter war, den Kauf dieser romantischen, aber ziemlich heruntergekommenen Perlenfarm in Erwägung zu ziehen. Alles war in einem vernachlässigten, chaotischen Zustand, und das Personal hatte sich dem angepasst. Und wer wusste, ob in den Drahtgestellen im tiefen Wasser draußen vor der Mündung des Creeks überhaupt brauchbare Perlen hingen! »Ich würde mich nicht zu sehr auf ihn verlassen. Hol dir selbst unabhängigen Rat. Du hast dich noch nicht festgelegt«, erinnerte Sami sie.
»Was machst du morgen?« Lily lenkte vom Thema Tim ab.
»Von der Arbeit an den Schiffen im Schuppen habe ich genug gesehen, und beim Geruch der Austern dort dreht sich mir der Magen um«, erklärte Sami. »Ich glaube, ich unterhalte mich mal mit ein paar von den Männern und laufe vielleicht ein Stück den Creek hinauf. Toll wäre auch mal eine Segeltour raus auf die Bucht! Wann wird die
Georgiana
zu Wasser gelassen?«
»Der Zeitpunkt hängt von der nächsten großen Flut ab, glaube ich.«
Sami wanderte zur Mündung des Creeks, vorbei an einem eingestürzten Anleger und einem großen, funktionsfähigen Ponton. Dann verließ der Pfad das niedrige Unterholz und die Mangroven und mündete auf einen weißen Sandstreifen, der sich bis zum unglaublich blauen Wasser der Bucht erstreckte. Rakka rannte vor bis zum Wasserrand, sah sich um und jagte dann den Strand entlang auf eine Frau zu, die im Sand kniete und offenbar etwas sammelte – bis der Hund bei ihr ankam und Streicheleinheiten einforderte.
»Hallo«, rief sie, als Sami näher kam. »Sie haben einen sehr netten Hund.«
»Ja, bei freundlichen Leuten ist sie ziemlich umgänglich. Ich hoffe, sie hat Sie nicht erschreckt. Sie heißt Rakka, und ich bin Samantha Barton.«
»Ich bin Serena. Sie wohnen oben im Camp der Star Two, stimmt’s?«
»Ja, wir sind für ein paar Tage zu Besuch«, sagte Sami. Dann wechselte sie das Thema. »Wonach suchen Sie?«
Serena hielt eine kleine Muschel hoch, ließ sie in ihre Schultertasche aus Baumwolle fallen und holte dann eine ganze Hand voll Muscheln daraus hervor. Die meisten waren beschädigt. »Ich mache Bilder daraus. Ich habe da einen ganz besonderen Stil.«
Die Muscheln hatten verschiedenste Farben, von Rosa-, Blau-, Creme- und Goldschattierungen bis hin zu reinem Schwarz und Weiß. »Ich verwende alles Mögliche: Schildkrötenpanzer, Dugongknochen, Fischköpfe, Tintenfisch, Kiemendeckel, Perlmutt. Das sind meine Farben.«
»Sorry, das kapiere ich nicht.« Sami war fasziniert. Die Frau war etwas über vierzig, attraktiv, hatte dunkle Haare und trug ungewöhnliche Ohrringe. Sie bestanden aus bemalten Muscheln und etwas, das aussah wie Fischgräten. »Sind Sie Künstlerin? Zermahlen Sie die Muscheln?«
»Genau. Wahrscheinlich würden Sie meine Gemälde eher als Collagen bezeichnen. Ich benutze Materialien vom Meeresufer zum Malen. Die Wirkung ist ziemlich erstaunlich, wenn man zurücktritt und das fertige Gemälde betrachtet.«
Die Frau stand auf. »Das mache ich nur zu meinem Vergnügen. Mein Mann Donny arbeitet auf der Farm. Früher war er Taucher, aber jetzt kümmert er sich um die Schiffe. Und er ist ein guter Schiffsbauer. Ich bin eigentlich Chefkoch und Mädchen für alles, aber jetzt war ich zwei Tage nicht da. Heute Abend muss ich wieder arbeiten. Wenigstens hat man Sie nicht vergiftet, während ich nicht da war.«
»Das nicht, aber ich kann nicht behaupten, dass das Essen eine Offenbarung war. Gegrillter Fisch, gegrilltes Steak und Grünzeug aus der Dose.«
»Ich sage Dave immer wieder, er soll einen Garten anlegen. Es ist nicht einfach, hier oben an Salat und frische Lebensmittel zu kommen. Und die Jungs brauchen Vitamine. Also, was halten Sie von dem Laden?« Sie wanderten gemeinsam am Wasser entlang, Serena hielt die Augen auf den Sand
Weitere Kostenlose Bücher