Die Perserinnen - Babylon 323
Alexander sehr geschwächt ist und hohes ...“
„Ich weiß“, unterbrach ihn Paruschjati. „Ich habe mit
einigen der Soldaten gesprochen, die an seinem Krankenbett vorübergezogen
sind.“
„Eine absurde Prozedur.“ Eumenes schüttelte missbilligend
den Kopf. „Sie dürfte den gesundheitlichen Zustand des Königs wohl kaum
verbessern. – Was kann ich sonst für dich tun?“
Paruschjati faltete die Hände auf dem Schoß und sah mit
gespielter Bescheidenheit darauf hinab. „Wir alle sind in großer Sorge um den
König. Im Palast herrschen Unruhe und Verwirrung, Gerüchte schwirren umher. In
den Frauengemächern im Neuen Palast leben wir so abgeschieden. Dabei gibt es
vieles, was zu wissen für uns von entscheidender, vielleicht sogar
lebenswichtiger Bedeutung ist. Dinge, die mir als Perserin naturgemäß fremd
sind.“ Gelegentlich war es von Vorteil, die unwissende Barbarin zu spielen. Die
Griechen waren immer so glücklich, wenn man ihre Vorurteile bestätigte. „Ich
bin eine Fremde am Hof. Der größte Teil meiner Familie ist tot, und ich habe
nur wenige Freunde. Deshalb bin ich zu dir gekommen, in der Hoffnung, dass du
mir einige Dinge erklären kannst, von denen ich bisher nur unklare
Vorstellungen habe.“
Eumenes blieb vorsichtig. „Was meinst du?“
„Ich möchte Genaueres über die Thronfolge im makedonischen
Königshaus erfahren.“
Der Kanzleichef lehnte sich zurück und zuckte die Achseln.
„Dazu gibt es nicht viel zu sagen. In der Regel läuft es darauf hinaus, dass
der älteste Sohn des Königs ihm auf den Thron folgt. Wie bei vielen Völkern,
auch bei euch Persern, soweit ich informiert bin.“
„Bei uns kommen ausschließlich Söhne rechtmäßiger
Königsgemahlinnen als Thronfolger in Frage. Söhne von Konkubinen sind nur
erbberechtigt, wenn es keinen legitimen Sohn gibt.“
„So?“ Eumenes zog eine Braue hoch. „Die makedonischen Könige
hatten bisher keinen Harem mit Nebenfrauen und Konkubinen. Daher stellte sich
eine solche Frage bisher noch nicht.“
„Der Vater des Königs hatte aber ebenfalls mehrere Frauen.“
„Philipp? Das kann man wohl sagen. Nach jedem Feldzug
feierte er seinen Sieg, indem er sich eine neue Gattin genehmigte.“ Eumenes
rieb sich übers Kinn. „Wenn ich mich richtig erinnere, hatten auch andere
makedonische Könige mehrere Frauen, nacheinander oder sogar gleichzeitig. Aber
jede davon galt als rechtmäßige Gemahlin. Daher sind alle Söhne des Königs
legitim, sofern er seine Vaterschaft anerkennt. Es gab sogar einmal einen
König, dessen Mutter eine Sklavin gewesen sein soll.“
„Aha. Trotzdem ist es nicht immer so, dass automatisch der
älteste Sohn des Königs seine Nachfolge antritt, nicht wahr? Ich weiß zum
Beispiel, dass Arridaios älter ist als sein Halbbruder.“
Eumenes grinste. „Du kennst Arridaios, ich habe dich gestern
noch mit ihm reden sehen. Niemand wäre auf die absurde Idee gekommen, ihn zum
König zu machen. Er war keine Konkurrenz für Alexander.“
„Nein, aber Amyntas schon.“
„Amyntas?“, fragte Eumenes überrascht. „Was weißt du über
ihn?“
„Nicht viel. Nur dass er der Sohn von König Perdikkas war,
Philipps älterem Bruder. Als sein Vater starb, hätte Amyntas doch sein
Nachfolger werden müssen, oder?“
„Das wurde er auch“, bestätigte Eumenes. „Amyntas war noch
ein Kleinkind, weshalb Philipp als Regent für ihn bestellt wurde. Doch damals
herrschte Krieg, das Land brauchte einen starken Herrscher. Deshalb wurde
Philipp nach einem oder zwei Jahren schließlich selbst König.“
Nach allem, was Paruschjati über König Philipp wusste,
wunderte es sie keineswegs, dass er seinen minderjährigen Neffen verdrängt
hatte. Eher schon, dass er sein Leben verschont hatte. Solche Milde wäre bei
einem Thronwechsel im persischen Reich eher unüblich gewesen. Philipp hatte
seinen Neffen sogar mit seiner Tochter Kynnane verheiratet. All das hatte
Paruschjati von Barsine erfahren, die mit Kynnane befreundet war. „Als König
Philipp starb, war Amyntas aber längst erwachsen. Warum wurde er nicht wieder
in seine Rechte eingesetzt?“
„Du weißt erstaunlich gut Bescheid“, sagte Eumenes und legte
den Kopf schief.
„Man hat mir ein wenig erzählt.“ Barsine hatte Paruschjati
auch gesagt, dass Alexander Amyntas kurz nach seiner Thronbesteigung beseitigt
hatte, aber es war nicht nötig, das in diesem Zusammenhang zu erwähnen.
„Ich wusste gleich, dass du nicht so ahnungslos bist, wie du
tust. Also
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